Roswitha Peier aus Olten war von 1973 bis 2022 freiwillige «Bettenschieberin» (Patientenbegleiterin) für die Sonntagsdienste im Kantonsspital Olten. | © Christian von Arx
Roswitha Peier aus Olten war von 1973 bis 2022 freiwillige «Bettenschieberin» (Patientenbegleiterin) für die Sonntagsdienste im Kantonsspital Olten. | © Christian von Arx
29.06.2023 – Aktuell

Ein grosser Dank für 50 Jahre Dienst an den Kranken im Spital

Im Kantonsspital Olten ist die Ära der regelmässigen Sonntagsgottesdienste zu Ende

Veränderungen im Gesundheitswesen und in den Kirchen haben Ende 2022 dazu geführt, die sonntäglichen Gottesdienste im Kantonsspital Olten einzustellen. Nun dankte das Seelsorgeteam mit einer eindrücklichen Feier den vielen Freiwilligen, die jahrzehntelang mithalfen, diese Gottesdienste zu ermöglichen.

«Eine Aera geht zu Ende, wir stellen uns auf etwas Neues ein», sagte Spitalseelsorgerin Anne Barth-Gasser in ihrer Begrüssung zur gottesdienstlichen Feier am 10. Juni im Mehrzweckraum des Kantonsspitals Olten (KSO). Der Entscheid habe bei den freiwilligen Mitarbeitenden Verständnis, teils aber auch Trauer und Unmut ausgelöst. Für das dreiköpfige Seelsorgeteam – von reformierter Seite gehören ihm die Pfarrerinnen Anne Barth-Gasser als Bereichsleiterin und Leni Hug an, von katholischer Seite der Seelsorger Hans Alberto Nikol – waren die Zeichen im Herbst 2022 jedoch eindeutig. Und das Führungsgremium der Spitalseelsorge in der Solothurner Spitäler AG (soH), in dem die christkatholische, die evangelisch-reformierte und die römisch-katholische Kirche sowie die Direktion der soH vertreten sind, bestätigte den Entscheid einstimmig.

Veränderungen in Spital und Kirchen

Gründe sind einerseits die Veränderungen im Spitalbereich. Die Aufenthaltsdauer in den Spitälern ist heute viel kürzer als früher: Am Sonntag nach einem Eingriff befinden sich Patientinnen und Patienten in vielen Fällen bereits in einem Pflegeheim oder zu Hause. Solange sie noch im Spital bleiben müssen, sind sie oft zu geschwächt, um an einem Gottesdienst teilzunehmen. Für das Kantonsspital Olten kommt dazu, dass die Anzahl Betten von anfänglich über 300 auf heute noch rund 200 zurückgegangen ist, wie Direktorin Sandra Lambroia Groux an der Feier erklärte. Und die Übergangspflege- und Rehastation, die sogenannten «Passerelle-Betten», hat das KSO 2016 an das Pflegeheim der GAG Egerkingen ausgelagert.

Andererseits spüren die Kirchen generell einen Rückgang des Gottesdienstbesuchs. Der Anteil der Kirchenmitglieder an der Bevölkerung wird kleiner. Das zeigt sich auch bei den Spitalpatienten und –patientinnen. Und selbst bei Kirchenangehörigen führten Enttäuschungen über die Kirchen manchmal dazu, dass kein Gottesdienstbesuch gewünscht sei, berichtete Hans Alberto Nikol.

Langfristiger Rückgang des Besuchs

Diese Veränderungen erklären den Rückgang der Besucherzahlen der Sonntagsgottesdienste im Spital. In den Anfangszeiten seit 1972 waren es 30 bis 60 Personen an den katholischen und 25 bis 40 Personen an den reformierten Gottesdiensten. Nach dem Jahr 2000, nun in dem von den Kirchen mitfinanzierten Mehrzweckraum im Neubau des Kantonsspitals, waren es 20 bis 40 beziehungsweise 15 bis 30 Teilnehmende. Mit 50 bis 110 Personen sehr gut besucht waren die vier ökumenischen Gottesdienste pro Jahr.

Nach der Gründung der soH 2006 organisierten die drei Landeskirchen ab 2008 die Spitalseelsorge ökumenisch. Die reformierten und katholischen Spitalseelsorgenden wechselten sich in der Leitung der Sonntagsgottesdienste ab. Zu Beginn kamen jeweils 20 bis 45 Patientinnen und Patienten und Externe. Die Teilnahme ging aber weiter zurück, und einen Einbruch erlebte sie während der Coronapandemie von 2020 und 2021. Im Jahr 2022 kamen durchschnittlich weniger als sechs Personen, immer häufiger waren es mehr Freiwillige als Patienten/innen.

«Durchfragerinnen» und «Bettenschieber»

Trotz dieser Zahlen war es ein schmerzhafter Entscheid, die Tradition der Sonntagsgottesdienste im Kantonsspital Olten nach einem halben Jahrhundert zu beenden. Der letzte fand am 30. Oktober 2022 statt. Das hatte auch die Auflösung der Gottesdienstbegleitgruppen zur Folge. Für die Durchführung der Sonntagsgottesdienste waren die Seelsorger/innen auf vielfältige Unterstützung angewiesen:

  • Es gab fünf Gruppen von sieben bis zehn freiwilligen Patientenbegleitern/innen, die die Patienten/innen zum Gottesdienst begleiteten. Sie selbst nannten sich «Bettenschieber», da manche Personen nur in ihren Spitalbetten oder in Rollstühlen am Gottesdienst teilnehmen konnten.
  • Der Room-Service des Spitals nahm jeweils am Samstag eine Liste auf, wer am Sonntag den Gottesdienst besuchen wollte. Früher wurde auch diese Aufgabe von Freiwilligen, den sogenannten «Durchfragerinnen», übernommen.
  • Es brauchte Musiker/innen und Sakristaninnen.
  • Der Technische Dienst des Spitals bereitete den Mehrzweckraum für die Gottesdienste vor.
  • Das Oltner Blumenhaus Frei lieferte jahrzehntelang jeden Sonntag kostenlos einen Strauss als Blumenschmuck auf dem Altar.

Sehr viele Freiwillige engagierten sich über zehn, zwanzig, dreissig oder vierzig Jahre für diesen Dienst. Roswitha Peier aus Olten und die 2022 verstorbene Anna Strub aus Trimbach halfen sogar seit 1973 und damit unglaubliche 49 Jahre in der Patientenbegleitung mit.

Abschlussfeier und Festschrift

Als Dank für diese Treue gestaltete das Spitalseelsorgeteam am Samstag, 10. Juni, eine würdige Abschlussfeier im Kantonsspital, mit Gottesdienst und gemeinsamem Mittagessen im Personalrestaurant. Alle erhielten eine Orchidee als Sinnbild für etwas Lebendiges, das manchmal ruht und später wieder aufblüht. Darauf nahm Pfarrerin Anne Barth-Gasser in ihrer Predigt Bezug.

Die Wertschätzung für alle Beteiligten zeigt sich auch in der 24-seitigen, bebilderten Festschrift, mit der Hans Alberto Nikol im Auftrag des Seelsorgeteams zusammentrug, was er über die 50-jährige Geschichte der Sonntagsgottesdienste im KSO in Erfahrung bringen konnte. Diese beruhten auf einem Abkommen zwischen den drei Landeskirchen und dem Kanton Solothurn, das am 1.1.1972 in Kraft trat. Dieses wurde nach der Gründung der Solothurner Spitäler AG (soH) am 1.1.2006 durch eine neue Vereinbarung der soH am 1.1.2008 mit den Kirchen abgelöst. Für die Arbeit massgebend sind die Leitgedanken der ökumenischen Seelsorge der soH von 2008. Die Festschrift enthält nicht nur die Namen der je sieben katholischen und reformierten Spitalseelsorgenden von 1972 bis heute, sondern auch die von 2014 bis 2022 geführte Liste mit 41 Freiwilligen und neun Musikern, Musikerinnen und Sakristaninnen.

KSO-Direktorin Sandra Lambroia Groux sprach den Freiwilligen ein «Riesenmerci» für ihr Engagement aus. Sie stellte klar, dass die Einstellung der Sonntagsgottesdienste keine finanziellen Gründe habe. Die Seelsorge im Spital habe deswegen nicht weniger Bedeutung, vielmehr breche sie auf in einen neuen Abschnitt.

Christian von Arx

Artikel zu den Sonntagsgottesdiensten in den Spitälern von Basel-Stadt und Baselland

Den Gottesdienst an der Abschlussfeier gestalteten die reformierten Pfarrerinnen Anne Barth-Gasser (stehend) und Leni Hug sowie der katholische Seelsorge Hans Albert Nikol gemeinsam. | © Christian von Arx
An der Abschlussfeier mit den Freiwilligen und weiteren Beteiligten blickte Hans Alberto Nikol auf die 50-jährige Geschichte der Sonntagsgottesdienste im Kantonsspital Olten zurück. | © Christian von Arx