Lange war Basel Bischofsstadt. Auch im «Theater im Münster» spielte der Bischof (dargestellt von Helmut Förnbacher) eine der Hauptrollen. | © Oliver Hochstrasser
Lange war Basel Bischofsstadt. Auch im «Theater im Münster» spielte der Bischof (dargestellt von Helmut Förnbacher) eine der Hauptrollen. | © Oliver Hochstrasser
26.09.2019 – Aktuell

Kirche des Bischofs, der Uni und der Stadt

«Lebendige Steine»: Die Funktionen des Münsters im Laufe der Zeiten

Ohne Bischofssitz wäre Basel nicht Basel geworden. Neben dem Münster als unverzichtbarem Teil der Skyline erinnert auch das allgegenwärtige Wappen daran, dass die bischöfliche Präsenz die Stadt prägte.

 

Basel und das Münster – das ist (auch) eine Beziehungsgeschichte. Man kann das Münster lieben, ohne es zu kennen. Um jedoch seine elementare Bedeutung für die Stadt zu erfassen, geht es nicht ohne Geschichte. «Es geht um mehr als die beiden Türme und die Skyline!» sagte Martin Wallraff, der mit seinem Beitrag zu den Funktionen des Münsters als Bischofs-, Stadt- und Universitätskirche die Ringvorlesung «Lebendige Steine» eröffnete. Ohne die Kathedrale gäbe es die Stadt wohl gar nicht.

 

Erste Bischöfe

Der Münsterhügel war zwar schon im ersten Jahrhundert v.Chr. besiedelt, als die Römer am Rheinknie auftauchten. Für ihre Kolonie in der Region wählten sie jedoch Augst. Hier entstand im 4. Jahrhundert der erste Bischofssitz, gegründet zur pastoralen Versorgung der hierher gelangten Christen. Als erster Bischof von Basel wird im 7. Jahrhundert Ragnacharius genannt. Er trug den Doppelnamen «von Augst und Basel», ein mögliches Indiz für eine Verlegung des Bischofssitzes von Augst nach Basel.

Wallraff sprach von «etwas verstreuten Indizien» für eine Verlagerung von der Augster Ebene auf den besser zu schützenden Hügelsporn zwischen Birsig und Rhein. Ein weiteres Indiz, das für eine Kontinuität stehe, sei ein Argumentum ex Silentio, eine Schlussfolgerung aus einem Schweigen. Für das Basler Münster fehlen ein eigentlicher Lokalheiliger und eine Gründungslegende.

Was Pantalus angeht, welcher der Legende nach im 5. Jahrhundert Bischof in Basel gewesen sei, gibt es für Wallraff keine Zweifel: «Da ist nichts fraglich: Es hat ihn nicht gegeben, und wenn doch, hatte er mit dem Münster nichts zu tun.» Aus der fehlenden Gründungsgeschichte gibt es für Wallraff einen logischen Schluss: Wenn Stadt und Kirche gezügelt sind, gab es gar nichts zu gründen.

 

Eine Brücke isoliert das Münster

Wie jeder Umzug war auch dieser ein Stresstest für die Beziehung der daran Beteiligten. Die frühe Basler Geschichte ist geprägt von permanenter Anziehung und Abstossung zwischen Stadt und Kirche. Kaiser Heinrich II. unterstützte den Münsterneubau, um den zum Territorialfürsten aufgestiegenen Bischof Adalbero II. an sich zu binden. «Ohne den mächtigen Bischofssitz wäre die Stadt nicht geworden, was sie ist», meinte Wallraff. Zugleich streben die Basler schon früh nach Unabhängigkeit und versuchen, sich vom Bischof zu emanzipieren.

Eine wesentliche Rolle spielte dabei ein Bauwerk, das Bischof Heinrich von Thun im frühen 13. Jahrhundert initiiert hat: die erste (heute Mittlere) Brücke über den Rhein in Basel. «Die Brücke ist das zweite essenzielle Bauwerk, das Basel zu Basel macht», formulierte es Wallraff. Die bei der Anlegestelle für Schiffe, der sogenannten Schifflände, platzierte Brücke habe den Horizont erweitert und das Münster isoliert. Der Marktplatz entwickelte sich nun zum wirtschaftlichen und machtpolitischen Zentrum. Für die Bischöfe sei das Residieren in Basel immer mehr zum Höllenritt geworden, und schon vor der Reformation hätten sie Basel de facto verlassen.

 

Vom Konzil zur Universität

Mit dem Konzil fand im 15. Jahrhundert ein welthistorisch wichtiges Ereignis statt, das für Basel indirekt bleibende Folgen hatte: Zwei Jahre nach der Wahl des ehemaligen Konzilsteilnehmers Aeneas Silvius Piccolomini zum Papst Pius II. wurde 1460 die Universität Basel gegründet. Die Gründungszeremonie fand im Hochchor des Münsters statt. Dieses wurde nun zur Universitätskirche. Der Lehrbetrieb spielte sich in den Räumen des Münsters ab, die Dozierenden waren Kleriker.

Als 1529 der Grosse Rat die Reformation anerkennt, ist das Münster nicht mehr Bischofskirche. Sichtbar ist das bischöfliche Erbe aber noch heute überall in der Stadt: Das Wappen, der schwarze Baslerstab, ist ein umgestalteter Bischofsstab. Das entbehrt nicht der Ironie, hat aber eigentlich auch seine Berechtigung. Wallraff drückte es so aus: «Bei aller Freude über 500 Jahre Reformation: Er [der Bischof; die Red.] war länger da als weg.»

Regula Vogt-Kohler