29.07.2021 – Editorial

Zu viel Nass

Ob es auch im Garten Eden Überschwemmungen gab? Ein Strom bewässerte den Paradiesgarten, heisst es in der Bibel. Es würde der Natur eines Flusses entsprechen, dass er regelmässig über seine Ufer trat. Mit Beobachtung und Experimentieren weiss der Mensch das zu nutzen.

Bei uns ist der Sommer 2021 bisher allerdings übermässig nass, gemessen an den langjährigen Erfahrungen. In den grossen Anbaugebieten der Schweiz leidet das Gemüse unter den viel zu nassen Böden, die Obsternten werden – nach dem Frost vom Frühjahr – jetzt vielerorts auch noch durch Starkregenfälle und Hagel beeinträchtigt.

Die anhaltenden, starken Regenfälle liessen fast überall im Land Flüsse und Seen hoch anschwellen. Auch wer nicht selbst von schweren Unwetterschäden betroffen ist, bekommt die Folgen mit. Es sei das schlechteste Badejahr seit Jahrzehnten, heisst es zum Beispiel. So gut wie nie war dieses Jahr das Schwimmen in unseren Gewässern möglich. Wenn das Nass nicht ohnehin von oben kam, war es draussen zu kalt, der Wasserstand zu hoch, die Flüsse reissend, das Baden gefährlich oder gar verboten.

Die extremen Ausschläge des Wetters in diesem, in anderer Art auch in den vergangenen Jahren beschäftigen Wissenschaft und Politik und lassen manche von uns nachdenklich werden. Was können wir als Gesellschaft tun, hier bei uns? – Eine der spürbarsten politischen Massnahmen im Bereich der Umwelt war wohl die eidgenössische Forstgesetzgebung, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einsetzte. Sie zielte auf den Erhalt und die nachhaltige Nutzung des Waldes, am Anfang noch auf das «Hochgebirge» beschränkt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde sie auf das ganze Land ausgedehnt. Sie erweist sich als unbezahlbare Wohltat für die nachfolgenden Generationen.

Weniger Wirkung gezeitigt hat bis heute die Raumplanung, trotz aller Bemühungen seit den 1960er- und 1970er-Jahren. Die rasant ausgreifende Überbauung des Bodens in der Schweiz ist in diesem halben Jahrhundert nicht gestoppt worden, sondern erfasst immer neue Bodenflächen. Die Schweiz wird zugebaut, wir schauen zu. Nach uns die Sintflut?

«Gott, der Herr, nahm den Menschen und gab ihm seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte», heisst es im Schöpfungsgedicht des Buches Genesis. Es ist höchste Zeit, am Schweizer Bundesfeiertag vom 1. August nicht nur Raketen am Himmel verglühen zu lassen, sondern unseren Auftrag zu erkennen und unseren Garten zu bewahren.

Christian von Arx