Phöbe und Junia waren Amtsträgerinnen der frühen Kirche. Daran erinnern Inschriften in der Kirche St. Stephan in Therwil.| © Regula Vogt-Kohler
Phöbe und Junia waren Amtsträgerinnen der frühen Kirche. Daran erinnern Inschriften in der Kirche St. Stephan in Therwil.| © Regula Vogt-Kohler
17.05.2022 – Hintergrund

Wer war die Diakonin Phöbe?

Die Apostelin Junia hat in den letzten Jahren an Bekanntheit gewonnen. Ein Schattendasein fristet die Diakonin Phöbe. Zu Unrecht, findet die Professorin Marlis Gielen aus Salzburg. Denn Phöbe reiste sogar nach Rom.

Die frühe Christin Phöbe wird im Römerbrief erwähnt. Dort wird sie «Diakonos» genannt, was übersetzt Diakonin heisst. Das sagt Marlis Gielen, Professorin für Neues Testament an der Uni Salzburg. Sie forscht seit Jahren zur Rolle der Frauen im frühen Christentum.

Phöbe wirkte in der christlichen Gemeinde von Kenchreä. Das war ein zu Korinth gehörender Hafenort, der im heutigen Griechenland liegt. Phöbe sei nicht die Begründerin ihrer Gemeinde gewesen, sagt Marlis Gielen. Denn sonst wäre sie als Apostelin bezeichnet worden. Die Salzburger Professorin hat aus den frühen Schriften herausgelesen, welche Aufgaben die Diakonin innehatte.

Federführend in der Verkündigung

Demnach war die frühe Christin in ihrer Gemeinde «federführend in der Verkündigung tätig». Zudem war sie in der Katechese aktiv. Phöbe war auch karitativ tätig, sie unterstützte also andere Menschen. Paulus schreibt im Römerbrief, sie sei ein Beistand geworden für viele, auch für ihn selbst. Gemäss Marlis Gielen konnte eine solche Unterstützung durchaus auch materiell gewesen sein.

«Paulus hat dieser Frau eine grosse theologische Kompetenz zugestanden», sagt die Neutestamentlerin. Das lasse sich aus einem Fakt ablesen: Der Apostel hat Phöbe den Römerbrief mitgegeben, als sie nach Rom reiste. Das bedeutete damals: Die Briefbotin musste auch mündlich Auskunft geben können über den Inhalt des Briefes. Phöbe musste also in der christlichen Gemeinde in Rom «Rede und Antwort stehen können zu diesem theologisch anspruchsvollen Schreiben «, sagt Marlis Gielen. Laut der Spezialistin für das frühe Christentum war es zur Zeit des Römischen Reiches üblich, Briefe durch Vertrauenspersonen transportieren zu lassen. Denn damals habe es noch kein staatliches Postwesen für Privatpersonen gegeben.

Taufverständnis als Ursache

Marlis Gielen schliesst aus dem Beispiel Phöbe – und auch dem Beispiel der bekannteren Apostelin Junia: «Die Frauen waren in der damaligen Zeit vollkommen gleichberechtigt eingebunden.» Sie gestalteten also das religiöse Leben gleichberechtigt mit. Diese Haltung sieht die Neutestamentlerin im Verständnis der Taufe begründet. «Bei diesem Initiationsritus werden Männer und Frauen werden unterschiedslos getauft.» Das lasse sich von Anfang an für die nachösterliche Bewegung der Christusgläubigen nachweisen. «Und die Taufe selbst hebt alle bestehenden Unterschiede zwischen den Menschen auf», sagt Marlis Gielen. Sie erinnert an alte Tauftradition im Galaterbrief: «Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht männlich und weiblich. Ihr alle nämlich seid einer in Christus Jesus.»

Davon geht der Apostel Paulus laut der Neutestamentlerin aus, wenn er schreibt: Jeder und jede solle jene Charismen einbringen können, die er oder sie hat. Mit Charismen meine Paulus Gnadengaben von Gott. «Heute würden wir sagen: Berufungen», sagt Gielen. Also sei das Mitwirken in frühen christlichen Gemeinden «keine Frage des Geschlechts» gewesen.

Regula Pfeifer, kath.ch