15.10.2020 – Editorial

Wer redet denn noch von Gott?

4. September 2020: Die Parteileitung der CVP Schweiz schlägt vor, die Partei solle ihren Namen wechseln. Das «christlich» im Parteinamen sei ein Hindernis im Bestreben, mehr und neue Wähler/innen anzusprechen. Nur wenn das «C» nicht mehr im Namen stehe, könne die Partei sich neues Potenzial erschliessen, sagt Präsident Gerhard Pfister. Den Entscheid fällen die Parteimitglieder Mitte Oktober in einer Urabstimmung.

25. September 2020: Die Verfassungskommission von Appenzell-Ausserrhoden schlägt für die neue Kantonsverfassung eine Präambel ohne Bezug auf Gott und Schöpfung vor. Bisher hiess es dort: «Im Vertrauen auf Gott wollen wir, Frauen und Männer von Appenzell Ausserrhoden, die Schöpfung in ihrer Vielfacht achten.» Die erklärte Absicht der Kommission: Gemeinsame Werte formulieren, ohne jemand auszugrenzen. Über den Verfassungsentwurf diskutiert nächstes Jahr das Kantonsparlament.

6. Oktober 2020: Das öffentlich-rechtliche Schweizer Radio und Fernsehen SRF kündet Sparmassnahmen an. Um ein jüngeres Publikum zu gewinnen, sollen Online-Angebote ausgebaut werden, zulasten von bisherigen TV- und Radiosendungen. Unter anderem werden ab Sommer 2021 die Radio-Religionssendungen «Zwischenhalt» und «Blickpunkt Religion» gestrichen. Der SRF-Fachredaktion Religion droht ein Abbau.

Drei aktuelle Meldungen – ein Zeichen unserer Zeit: Der öffentliche Bezug aufs Christentum, auf Gott, wird gestrichen, der Raum für die öffentliche Auseinandersetzung mit Religion reduziert. Diejenigen, denen das Christliche wichtig ist, gelten nicht als «Wachstumsmarkt», religiös Interessierte werden als Quantité négligeable eingeschätzt. Natürlich muss das die Kirchen beschäftigen. Aber es gilt, die Realität zur Kenntnis zu nehmen: Zusammen mit Christinnen und Christen prägen Angehörige anderer Religionen und viele Konfessions- und Religionslose unseren Alltag. Diejenigen, die sich in christlichen Kirchen aktiv beteiligen, sind tatsächlich eine kleine Minderheit. Vieles erinnert heute an die Situation, in der sich die frühen Christengemeinden bewegten.

Sicher ist: Die christliche Botschaft richtet sich an alle. Gleichgesinnte, «Passivmitglieder», Nicht- und Andersgläubige: Sie alle sind «Fratelli tutti», Geschwister im Sinne Franz von Assisis und von Papst Franziskus. Mit ihnen gilt es im Gespräch zu bleiben, sich ihnen zuzuwenden. Wer sonst soll das tun, wenn nicht die einzelnen Gläubigen und ihre Gemeinschaften, die Kirchen?

Christian von Arx