16.12.2021 – Editorial

Weihnachtswonne

Kerzenlicht, Tannenzweige, Guetzliduft, oder auch die Klänge unserer alten Adventslieder: Solche Sinneswahrnehmungen vermögen wohl die meisten von uns in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Eigentlich erstaunlich, denn in der biblischen Weihnachtsgeschichte ist doch weder von Kerzen, noch von Tannen oder Guetzli die Rede.

Überhaupt wirft der Ursprung des Weihnachtsfestes Fragen auf. Zwei der vier Evangelien finden es nicht nötig, über die Geburt von Jesus auch nur ein Wort zu verlieren. Matthäus springt nach der Ankündigung der Geburt direkt zum Besuch der Sterndeuter aus dem Osten. Einzig bei Lukas finden sich die Einzelheiten, die bis heute unsere Vorstellung von der Weihnachtsgeschichte prägen: Die volle Herberge, die Krippe, die Hirten und der Engel mit seinem «Fürchtet euch nicht».

Anders als Ostern haben die christlichen Gemeinden der ersten Jahrhunderte Christi Geburt offenbar überhaupt nicht gefeiert. Soweit bekannt, wurde das Geburtsdatum und damit die kirchliche Weihnachtsfeier erst im 4. Jahrhundert in Rom «erfunden». Von dort aus verbreitete sich das Fest dann in alle Welt.

Weihnachten war wohl die erfolgreichste Entscheidung der römischen Kirche in ihrer ganzen Geschichte. Was das Neue Testament nicht liefert, das schufen spätere Künstlerinnen und Schreiber, kirchliche Tradition und Volksglaube mit überbordender Kraft. Christi Geburt zu feiern, ist ein unstillbares Bedürfnis der Christgläubigen aller Zeiten und Länder geworden.

Zeugnis davon gibt etwa der «Grimm», das grösste Wörterbuch der deutschen Sprache. Die Autoren der einschlägigen Artikel hatten vor 100 Jahren Kenntnis von mehr als 270 Zusammensetzungen mit «Weihnachts-» und fügten bei: «Jedes Jahr entstehen neue Zusammensetzungen der Art.» Diese Wörter spiegeln das Leben, das Brauchtum. Aus dem Bereich des Essens und Trinkens gibt es etwa das Weihnachtsbier, das Weihnachtsbrot, den Weihnachtskäse oder die Weihnachtsbirne, aus der Natur die Weihnachtsbirke, den Weihnachtsmaien oder die Weihnachtsrose (Christrose).

Mir gefallen besonders der Weihnachtsgruss, der Weihnachtsbrief und der Weihnachtsbesuch: Zu Weihnachten gehört, an andere zu denken, den Kontakt zu pflegen, noch vor dem Weihnachtsgeschenk. Daraus entstehen dann das Weihnachtslicht, das Weihnachtslied, die Weihnachtsfreude und das Weihnachtswunder.

Die Redaktion von «Kirche heute» wünscht Ihnen Ihre ganz persönliche Weihnachtswonne.

Christian von Arx