20.04.2023 – Editorial

Was heisst herrschen?

«Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen.» Dieser Auftrag Gottes an die Menschen habe zu dem Chaos und der Krise geführt, vor der wir heute stehen, sagte die Theologin Ines Schaberger im «Wort zum Sonntag» am Fernsehen SRF vom 15. April.

Ich verstehe die Schöpfungserzählung am Anfang der Bibel anders. Aus der Geschichte wie aus unserer Zeit wissen wir von Herrschern, die alles ihrer Machtgier unterordnen und dadurch Länder und Völker zugrunde richten. Ebenso wissen wir von anderen, die ihre Macht als Verantwortung für das ihnen Anvertraute verstehen und sie zum Wohl ihrer Mit- und Nachwelt einsetzen.

Welche Art des Herrschens meint nun das erste Buch der Bibel? Wenn Gott die Menschen, männlich und weiblich, nach seinem Bild schuf und sie segnete, so beauftragte er sie auch zum Herrschen nach seinem Vorbild. Und das Vorbild Gottes in der Bibel ist ganz auf die Freude an seiner Schöpfung ausgerichtet, auf die Sorge um sie und auf ihren Erhalt.

Wenn uns heute vor Augen steht, zu welcher Bedrohung unser menschliches Tun für die Fische des Meeres, die Vögel des Himmels und für alle Lebewesen geworden ist, dann müssen wir erkennen, dass wir schlechte Herrscher waren. Wer sich dagegen als Herrscher im Sinn eines Pächters der Schöpfung versteht, wird jetzt das Mögliche tun, um der Zerstörung Einhalt zu gebieten. Die Erde für alle Lebewesen zu erhalten: So verstehe ich den biblischen Auftrag, über sie zu herrschen.

Christian von Arx