23.03.2023 – Editorial

Unterwegs mit Franziskus

«Fratelli e sorelle, buonasera!» Unvergesslich, wie Jorge Mario Bergoglio mit diesen Worten Herzen öffnete, als er sich am 13. März 2013 auf dem Balkon als neuer Bischof von Rom zeigte. Mit einem Schlag weckte er die Hoffnung, Kirche könnte wieder bescheiden, natürlich und geschwisterlich sein. Seine Namenwahl war ein Versprechen: Als erster von 266 Päpsten wollte er Franziskus heissen. Wie Franz von Assisi, der mit den Ärmsten lebte und wie kein anderer die Verbundenheit mit allen Kreaturen der Schöpfung verkörpert.

Und heute, nach zehn Jahren mit Papst Franziskus? Grund für Enttäuschungen gibt es: Eine grundlegende Reform der Kirche ist nicht in Sicht. Noch zeichnet sich nicht ab, was die von ihm angestossene Weltsynode konkret verändern kann. Die Berufung von Frauen und von Verheirateten in den priesterlichen Dienst ist nicht vorangekommen. Noch immer werden manche Mitmenschen in der Kirche ausgeschlossen und diskriminiert.

Aber unter Franziskus hat die Massregelung von kritischen Stimmen in der Kirche aufgehört. Er hat die Todesstrafe in allen Fällen für unzulässig erklärt. Immer wieder besucht er Kranke, Gefangene, Flüchtlinge, klagt die Ausbeutung der Menschen und der Natur an. Und wie keiner seiner Vorgänger geht er auf Nichtchristen zu und zeigt, dass er sie als Brüder und Schwestern sieht.

Für seine eigene Kirche fand Franziskus oft überaus kritische Worte. Er wünschte sich lieber eine «verbeulte» als eine verschlossene und bequeme Kirche. Hoffentlich behält er in der Zeit, die ihm bleibt, seine Ungeduld. Und wir mit ihm.

Christian von Arx