Während die Lebensmittel immer sehr schnell weg sind, gibt es bei den Kleidern noch Auswahl. | © Christian von Arx
Während die Lebensmittel immer sehr schnell weg sind, gibt es bei den Kleidern noch Auswahl. | © Christian von Arx
05.05.2022 – Aktuell

«Nach einer Stunde sind die Lebensmittel weg»

Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine: Gefragt sind vor allem Dinge des täglichen Bedarfs

Jeden Tag kommen neue Flüchtlinge aus der Ukraine in der Schweiz an. Sie haben ihre Heimat mit nur wenigen Habseligkeiten verlassen und müssen nun in einem teuren Gastland mit bescheidenen Mitteln auskommen. Die Nachfrage nach günstigen oder gar kostenlosen Lebensmitteln ist gross.

Seit ein paar Tagen sind die ukrainischen Flüchtlinge auch an der Inneren Margarethenstrasse 26 in Basel angekommen. Die hier domizilierte Pfarrblattredaktion hat live miterlebt, wie Räumlichkeiten im obersten Stock des Gebäudes hergerichtet wurden, um als Abgabestelle für hilfesuchende Flüchtlinge zu dienen. Seit der Eröffnung am 26. April herrscht hier reger Betrieb, aus dem Treppenhaus ist ein ständiges Kommen und Gehen zu hören.

Am ersten Tag schauen wir kurz nach «Ladenschluss» rein. Noch immer kommen Leute, die meisten Frauen, teilweise mit Kindern. Im ersten Raum stehen die Regale mit Lebensmitteln, sie sind so gut wie leer. Im hinteren Teil befinden sich gut gefüllte Gestelle und Ständer mit Kleidern und Spielsachen. «Gefragt sind vor allem Lebensmittel, Toilettenartikel und Dinge des täglichen Bedarfs wie Waschpulver», erzählt Alejandra Raeschle, eine der Freiwilligen. Die Lebensmittel sind jeweils nach spätestens einer Stunde weg.

«Es liegt in meiner Natur»

Die Abgabestelle an der Inneren Margarethenstrasse in Basel ist ein Projekt von Philip Weinberg, akademischer Leiter der Basel School of Business. Schon kurz nach Beginn des Kriegs hat Weinberg einen Transport an die ukrainische Grenze organisiert. «Als wir zurückkamen, wusste ich, wir müssen etwas tun», erzählt Weinberg im Gespräch mit «Kirche heute». So entstand eine durch Spenden finanzierte Abgabestelle im Eingangsbereich der Schule am Centralbahnplatz. Weil der Platz schnell zu knapp wurde, hielt Weinberg nach grösseren Räumlichkeiten Ausschau und wurde mit der alten Waschküche im fünften Stock der Liegenschaft Innere Margarethenstrasse 26 fündig.

Philip Weinberg verfügt über reiche Erfahrung in Katastrophenhilfe. Er kennt Leid und Not aus seinen Einsätzen an Brennpunkten wie Kosovo, Sierra Leone oder auch New Orleans nach dem Wirbelsturm Katrina. «It’s in my nature», sagt er. Es liege in seiner Natur, aktiv zu werden und zu helfen. Gleichzeitig ist er als Akademiker tätig. 2012 gründete er mit seiner Frau Jacqueline die Basel School of Business. Die Schülerinnen und Schüler kämen aus unterschiedlichem wirtschaftlichem und sozialem Hintergrund, erzählt er. Um das Bewusstsein für soziale Unterschiede zu schärfen, gehören auch Freiwilligeneinsätze zum Ausbildungsprogramm.

Dankbar für Engagement

Im Phil*Mart, so der Name der Abgabestelle, sind ebenfalls zahlreiche Freiwillige im Einsatz. Es ist ein Engagement, das an den emotionalen Ressourcen zehrt. «Manche gehen nach einem Tag wieder, weil sie es nicht aushalten», berichtet Weinberg. «Wir sind aber dankbar für jeden und jede.»

Allein schon der Anblick des Stroms an Hilfesuchenden geht ans Herz. An besonders geschäftigen Tagen kämen 200 bis 300 Familien, sagt Weinberg. Dann bildet sich im Treppenhaus eine lange Schlange. Aus manchen Gesichtern ist die Anspannung der Geflüchteten abzulesen.

Sein Projekt sei ein Puzzleteilchen für die Unterstützungsbedürftigen in der Region Basel, sagt Weinberg. Auch andere Abgabestellen für günstige oder kostenlose Lebensmittel sind sehr gefragt. Die Flüchtlinge müssen mit bescheidenen finanziellen Mitteln auskommen. Manche sind vorübergehend gar mittellos, bis sie sich im bürokratischen Dschungel zurechtgefunden haben und die ihnen zustehende Unterstützung beziehen können.

Regula Vogt-Kohler