Unter der Brücke
Herbstzeit, Wanderzeit! Kurz vor dem Eidgenössischen Bettag führte uns ein Ausflug ins Gebiet des Chasseral mit seinen zahlreichen frei stehenden Bergbauernhöfen, den Métairies. Ein Alpwirtschaftsgebiet von parkartiger Schönheit, mit verlockenden Angeboten zum Einkehren. Aber auch eine Gegend, die uns mit einem schmerzhaften Kapitel unserer Geschichte konfrontiert.
Am obern Eingang der Combe du Bez, einer weglosen Schlucht, befindet sich der Pont des Anabaptistes, die Täuferbrücke. An diesem versteckten Ort auf 1154 Metern über Meer, in der Gemeinde Corgémont, trafen sich im 17. Jahrhundert die Täuferfamilien der Umgebung, die aus religiösen Gründen von Bern aus dem Emmental vertrieben wurden. Im Herrschaftsgebiet des Fürstbischofs von Basel fanden sie Unterschlupf. Der Bischof duldete die Täufer vor allem deshalb, weil sie sich auf den Gutshöfen im rauen Jura als tüchtige Pächter erwiesen.
Die Verfolgung der aus der Reformation heraus entstandenen Täuferbewegung in der Alten Eidgenossenschaft war hart: Enteignung, Verbannung, Gefängnis und Folter, manche ihrer Führer wurden ertränkt oder verbrannt. Wer heute als Wanderer vor den moosbewachsenen Felsen mit alten Einritzungen steht, ist bewegt von der Vorstellung, dass sich unter der (1924 eingestürzten) Täuferbrücke gläubige Menschen versammelten, die in unserem Land um ihres urchristlich inspirierten Glaubens willen von anderen Christen unbarmherzig gejagt wurden. Der stille Ort beim Pont des Anabaptistes steht für Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit.
Christian von Arx