Gelebte Nächstenliebe sollte sich in Verständnis, Freundlichkeit und Ermutigung gegenüber den homosexuellen Gläubigen zeigen, findet der Papst. | © Karl Raymund Catabas/unsplash
Gelebte Nächstenliebe sollte sich in Verständnis, Freundlichkeit und Ermutigung gegenüber den homosexuellen Gläubigen zeigen, findet der Papst. | © Karl Raymund Catabas/unsplash
03.10.2023 – Aktuell

Papst antwortet auf «Zweifel» von Kardinälen

Stellungnahme zu umstrittenen Glaubensfragen im Vorfeld der Weltsynode

Kurz vor der Weltsynode bezieht der Papst Stellung zu viel diskutierten zentralen Punkten des Glaubens. Grund zum Jubeln gibt es für Reformer aber keine: Bei den Themen «Segnung homosexueller Paare» und «Priesterweihe für Frauen» bleibt der Papst bei den bisherigen Standpunkten der Kirche. Seine Einschätzung zur Auslegung der Bibelschriften und der darin enthaltenen Offenbarung kann aber Hoffnung machen.

Fünf Kardinäle haben Papst Franziskus im Juli ein Schreiben zukommen lassen, in dem sie ihre Zweifel bezüglich aktuell diskutierter Fragestellungen zur Glaubenslehre ausdrücken. Die Antworten des Papstes wurden gemeinsam mit den Fragen am 2. Oktober über den Internetauftritt des Vatikans veröffentlicht. Themen dieser «dubia» (lat., Zweifel) sind unter anderem die Praxis der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, die Priesterweihe für Frauen und die Frage, ob die Offenbarung angesichts der kulturellen Veränderungen neu interpretiert werden muss.

Die Kardinäle sind der Auffassung, dass die Praxis der Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nicht im Sinne der Offenbarung sei. Der Papst bestätigt, dass die Kirche eine klare Vorstellung von der Ehe habe: Die exklusive, unauflösliche Verbindung zwischen Mann und Frau mit der Offenheit für Kinder. In seiner Argumentation zur Fragestellung legt er das Augenmerk jedoch darauf, dass die gelebte Nächstenliebe weniger die objektive Wahrheit verteidigen, als vielmehr Verständnis, Freundlichkeit und Ermutigung gegenüber den homosexuellen Gläubigen bedeuten sollte.

Beim Thema Frauenweihe sind die fünf Kardinäle der Auffassung, dass es unmöglich sei, Frauen die Priesterweihe zu erteilen. Sie berufen sich dabei auf ein Schreiben von Johannes Paul II. Hier gibt der Papst keine konkrete Antwort, sondern verweist darauf, dass das sogenannte allgemeine Priestertum aller Gläubigen und das Amtspriestertum – also jenes, der geweihten Priester – sich nicht hierarchisch unterschieden und das allgemeine Priestertum keinesfalls als geringer anzusehen sei. «Beide Formen des Priestertums erhellen und stützen sich gegenseitig», so der Papst.

Finden sich bei diesen konkreten Fragestellungen keine nennenswerten Neuerungen, so setzt der Papst den konservativen Stimmen zumindest bei einer Frage Grenzen. Nach ihrer Ansicht hatten die Äusserungen einiger Bischöfe die Frage aufgeworfen, ob die göttliche Offenbarung mit Blick auf aktuelle kulturelle Veränderungen neu interpretiert werden sollte. Für sie steht eine solche Neuinterpretation im Gegensatz zum Zweiten Vatikanischen Konzil, wonach die Offenbarung unveränderlich ist. Der Papst antwortet darauf, dass dieser kulturelle Wandel die Offenbarung nicht verändere, sondern – im Gegenteil – dazu anrege, bisher unbekannte und unberücksichtigte Aspekte dieser Offenbarung zum Ausdruck zu bringen. Er verdeutlicht, dass zwischen der tieferen Bedeutung des Textes und den kulturellen und historischen Prägungen der Verfasserinnen und Verfasser der biblischen Texte unterschieden werden müsse. Der Papst betont: «Das, was sich nicht ändern kann, […] ist [das], was zum ‹Heil aller› geoffenbart wurde. Daher muss die Kirche ständig unterscheiden, was für das Heil wesentlich ist und was hingegen sekundär oder weniger direkt mit diesem Ziel verbunden ist.»

Mit Blick auf die ab dem 4. Oktober stattfindende Weltsynode waren die Antworten des Papstes auf die «dubia» mit Spannung erwartet worden.  Bei den entscheidenden Punkten gab es keine Änderungen zu bisherigen Stellungnahmen. Mit der Aussage, dass die Auslegung der Offenbarung stets ergebnissoffen ist, öffnet er zumindest einen Türspalt hin zu möglichen Reformen.  Inwieweit die Antworten ein Vorzeichen für die Synode sein werden, bleibt abzuwarten.

Leonie Wollensack