16.11.2023 – Editorial

November

Gerade eben war doch noch Sommer, obwohl der Herbst auf dem Kalenderblatt bereits begonnen hatte. Als ich Anfang Oktober nach Oltingue wanderte, war ich froh um jeden Meter Schatten und jede Minute, welche sich die Sonne hinter Wolken versteckte. Von Herbst kaum eine Spur: die Bäume dicht belaubt, die Maisfelder sind zwar nicht mehr knallgrün, aber sie stehen noch, was etwas mühsam ist, wenn man mit uralten Karten und deshalb auch mal querfeldein unterwegs ist.

Die alte Martinskirche ausserhalb des Dorfs wirkt von Weitem wie ein einsames Relikt der Vergangenheit, doch beim Näherkommen wird sie immer gegenwärtiger. Ein Eindruck, zu dem nicht zuletzt das rege Kommen und Gehen auf dem Friedhof beiträgt. Nach kurzer Rast und ein paar Fotos gehts weiter, und ich tauche wieder ein in dieses Gefühl des Unterwegsseins in einem Universum, in dem es keine Hektik, keinen Lärm, keine Gewalt gibt.

Nun ist also der November da, mit allem, was dazu gehört: Kälte, Nässe, Dunkelheit. Der Zustand der Welt im Allgemeinen und der römisch-katholischen Kirche im Besonderen passt dazu. Die Missbrauchskrise verbreitet eine bedrückende Düsternis. Lichtblicke scheinen rar zu sein, aber es gibt sie. Bunte Blätter, die einen verregneten Spätnachmittag erhellen, zeigen, dass selbst der November etwas Tröstliches hat.

Regula Vogt-Kohler