Die Autorin als Maria mit Josef und den beiden Eseln mitten im vorweihnachtlichen Rummel in Kleinbasel.
| © Regula Vogt-Kohler
Die Autorin als Maria mit Josef und den beiden Eseln mitten im vorweihnachtlichen Rummel in Kleinbasel. | © Regula Vogt-Kohler
15.12.2022 – Aktuell

Mit den Augen eines Esels

Tiere machen die Botschaft der Liebe begreiflich

Die Autorin* entdeckte letztes Jahr die Adventszeit aus einer ganz neuen Perspektive – an der Seite der Esel Angelo und Paulina im vorweihnachtlichen Basel. Sie lässt Paulina erzählen, wie diese die Reise mit Maria und Josef durch die Basler Innerstadt erlebt hat.

Zum Glück war ich nicht alleine dort, Angelo ist von uns beiden der etwas Mutigere. Ich war froh, dass er mir hier, fernab meiner Wiese im Trubel von vielen Lichtern, seltsamen Gerüchen und fremdartigen Geräuschen, vorausging.

Es lief ein Pärchen mit uns, die nannten sich Maria und Josef und waren auch anders gekleidet als die Leute sonst. Sie erzählten, dass sie auf dem Weg nach Betlehem seien – so ein Quatsch! Aber sie grinsten selbst manchmal dabei. Anscheinend ging es da um eine Geschichte, in der sie mit einem Esel auf einer beschwerlichen Reise unterwegs waren. Das hatte nun doch gewisse Ähnlichkeiten mit uns, denn mühsam war es manchmal schon.

Wir mussten immer wieder Menschen ausweichen, manche hatten es nämlich total eilig, dann blieben wir wieder sehr lange stehen, weil so viele uns streicheln wollten. Da habe ich manchmal Unsicherheiten bei unseren menschlichen Begleitern bemerkt: Wo bleiben wir stehen? Wen sprechen wir an? Was könnten wir sagen? Richtig schwierig fand ich, als einmal ein Kind auf unsere Gruppe zulief und laut verkündete, Tiere seien hier auf dem Grundstück nicht erlaubt.

Oft war ich wohl eine Brücke, damit Fremde zu uns kamen. «Das ist Paulina» war wie eine Einladung, damit etwas passieren konnte. Zum Beispiel wurden dann Kinder zu mir geschoben, die mich zunächst ganz zaghaft streichelten. Aber ich spürte, dass auch die Erwachsenen gerne zu mir gekommen wären, sich aber weniger trauten. Wieso eigentlich? Ich freute mich über die Kinder, die auch mit mir unterwegs waren. Sie gingen, ohne lange zu überlegen, einfach auf die Menschen zu, schenkten diesen eine Karte und wünschten vergnügt «frohe Weihnachten».

Andererseits gab es tatsächlich Leute, die extra aus einem Geschäft gelaufen kamen, um mich zu streicheln. Eine Frau hat mich sogar umarmt. Dann waren da noch Menschen, die mir etwas in einer anderen Sprache ins Ohr flüsterten. Ich habe genau verstanden, dass ich sie an ihre Heimat erinnere, dass sie sie vermissen und sie hier irgendwo zwischen Glück und Verzweiflung leben.

Dann, wir waren gerade eingekeilt zwischen Tram, Geschäften und vorbeihuschenden Menschen, sagte eine Frau ganz überzeugt: «Tiere haben einen direkten Weg ins Herz der Menschen. Sie bringen die Liebe mit.» Vielleicht umschrieb sie damit, wie sich beim Streicheln ein Lächeln auf den Gesichtern ausbreitete und sie sich entspannten? Sind wir Esel also Botschafter der Liebe? Und ist das nicht die Botschaft von Weihnachten: Ein Kind bringt eine grosse Liebe in die Welt. Gottes Liebe. Warum braucht es uns Tiere dann noch? Vielleicht, weil die Liebe nicht einfach zu «begreifen» ist – mein weiches Fell und Nase dagegen schon. Daher nehme ich auch dieses Jahr wieder allen Mut zusammen und laufe hinter Angelo durch die Stadt, ich weiss ja: Ich bin eine Botschafterin.

* Kerstin Rödiger, begeisterte Eselsbegleiterin, angestellt bei Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt für Spitalseelsorge und Spiritualität/Bildung 

 

Maria und Josef ziehen mit dem Eselduo Angelo und Paulina durch die Freie Strasse. | © Regula Vogt-Kohler
Ungewöhnlicher Besuch am Rhein: Auch dieses Jahr werden Maria und Josef mit den Eseln vor Weihnachten Basel wieder einen Besuch abstatten. | © Matthias Schmitz