20.10.2022 – Editorial

Licht und Schatten

Irgendwann vor rund 100 000 Jahren begannen unsere Vorfahren ihre Verstorbenen zu bestatten und damit den Übergang vom Leben zum Tod bewusst zu gestalten. In dieser langen Zeit hat sich die Praxis des Umgangs mit dem Tod immer wieder geändert. Unterschiede gibt es nicht nur im Vergleich verschiedener Kulturen, sondern auch im historischen Verlauf. Manche Änderungen haben mit einem Wandel der spirituellen Vorstellungen eines Jenseits zu tun, für andere gibt es handfeste praktische Gründe. Und wie schnell sich Rituale unter äusserem Druck ändern können, hat uns die Pandemie vor Augen geführt.

Friedhofanlagen zeigen, wie unterschiedlich sich der Umgang mit dem Tod rein äusserlich präsentiert. Manche Friedhöfe und Begräbnisstätten gelten wegen ihrer spektakulären Gestaltung und/oder Lage oder auch wegen prominenter Bestatteter gar als touristische Attraktionen. Der Friedhof neben der Pfarrkirche St. Theodul in Greyerz (siehe Titelseite) hat mich wegen zwei Aspekten in den Bann gezogen. Zuerst war es das Wanderwegzeichen an der Friedhofsmauer. Man kann den gelben Rhombus auch als Symbol dafür lesen, dass Leben und Tod wie Licht und Schatten zusammengehören.

Beim Blick in den Friedhof fiel mir auf, wie andersartig dieser auf mich wirkte. Als Material dominiert Stein: Grabsteine und -platten, umgeben von Kies. Im Gegensatz dazu der Basler Friedhof am Hörnli: Der grösste Zentralfriedhof der Schweiz ist als grosszügiger Park am Fusse eines Hügels gestaltet. Auch wenn die grüne Umgebung etwas Sanftes, Tröstliches hat, so vermag sie an der Endgültigkeit der letzten Reise nichts zu ändern.

Regula Vogt-Kohler