19.10.2023 – Editorial

Licht in dunklen Zeiten

Der Angriff erfolgte am Sabbat im Morgengrauen. Am 16. Oktober 1943 verhafteten die Nazis die Juden in Rom. Zwei Tage später wurden rund 1000 Kinder, Frauen und Männer nach Auschwitz deportiert. Appelle an Papst Pius XII., die Razzia zu stoppen, waren ohne Erfolg geblieben.

Das Verhalten des Oberhauptes der römisch-katholischen Kirche in der Nazi-Ära war Gegenstand eines Fachkongresses an der Gregoriana-Universität in Rom. Basis dafür sind die Archive zum Pontifikat von Papst Pius XII. (1939-1958), die der Vatikan 2020 für die Forschung geöffnet hat. Die nun präsentierten ersten Ergebnisse seien kontrovers diskutiert worden, heisst es.

Der Vatikan habe von Anfang an versucht, hinter den Kulissen zu helfen, sagte Norbert Hofmann, Sekretär der Päpstlichen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, in einem Interview. Dass kirchliche Einrichtungen in Rom ihre Tore geöffnet hätten, um Juden zu verstecken, sei im Prinzip schon bekannt gewesen. Nun sei deutlich geworden, dass dies nicht ohne zentrale Stimme habe passieren können.

Johan Ickx, Archivar des vatikanischen Staatssekretariats, sprach an der Tagung von einem systematischen Netzwerk der Hilfe. Zu den Akteuren gehörte der irische Vatikangeistliche Hugh O’Flaherty, der rund 6000 Menschen vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten rettete. Aus dieser wahren Geschichte hat Joseph O’Connor einen ebenso spannend wie schön geschriebenen Roman gemacht. «My Father’s House» liegt nun auch auf Deutsch vor.

Regula Vogt-Kohler