21.10.2021 – Editorial

Letzter Ruheplatz

Im Leben ist eines gewiss und unausweichlich: Unser irdisches Dasein als Menschen ist begrenzt, früher oder später holt der Tod jeden und jede. Was dann? Gibt es danach überhaupt noch etwas? Ist das Jenseits das grosse Nichts? Es gibt kaum eine existenziellere Frage als jene nach dem ultimativen Wohin, nach der ganz konkreten Destination der allerletzten Reise. Der archäologische Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass die Menschen schon früh Vorstellungen des Danach entwickelt und darin Antworten gefunden haben. Welchen Sinn hätten Grabbeigaben, insbesondere reichhaltige und wertvolle, wenn man nicht von einer Fortsetzung des Daseins, wenn auch in anderer Form und an einem anderen Ort, ausgehen würde?

Sprechen wir mit Kindern über die letzten Dinge, so behelfen wir uns mit Versionen, die uns als verständlich und nachvollziehbar aus kindlicher Sicht erscheinen: Die Urgrossmutter ist gestorben, weil sie alt war, und sie ist jetzt im Himmel, für immer. Kann man von dort anrufen? Der vierjährige D. hält das zumindest nicht für gänzlich unmöglich, wie dieser Dialog zeigt: D. zur Grossmutter, die mit ihrer Mutter telefoniert: «Wär lütet aa?» – Die Grossmutter: «S’Urgrossmami.» – Darauf D., der wenige Monate zuvor an der Beerdigung einer anderen Urgrossmutter teilgenommen hat: «Us em Himmel?»

Wir leben in einer Zeit, in der das Nebeneinander von Leben und Tod weitgehend aus dem Bewusstsein gedrängt ist, verdrängt wird. Die Pandemie hat uns, vor allem in der massiven zweiten Welle im Herbst vor einem Jahr, auf brutale Weise mit der Endlichkeit unserer irdischen Existenz konfrontiert. Viele Menschen sind «vor ihrer» Zeit, wann immer die ohne Corona abgelaufen wäre, gestorben. Abschied zu nehmen war in vielen Fällen nur sehr eingeschränkt möglich, Bestattungen konnten nur in kleinem Kreis stattfinden.

An die Gegenwart des Todes mitten im Leben erinnert mich beim Besuch des Friedhofs in der kleinen Baselbieter Gemeinde Burg im Leimental dieser Spruch:

«Eile nicht, Wanderer
Bete für mich
bald wird ein anderer
wenn Du liegst wo ich
Beten für Dich.»

Das «bald» erschreckt mich ein wenig, bevor ich den von den Reimen ausgehenden Trost erfasse – und mich zuversichtlich auf den Heimweg mache.

Regula Vogt-Kohler