31.03.2018 – Editorial

Kniesocken

Vom Mami in aufwendigem Löchlimuster gestrickte Kniesocken aus Baumwollgarn gehörten in einer Kindheit der 1960er-Jahren zu den Basics im Kleiderschrank. Stichtag für den Start der Knie­sockensaison war bei uns jeweils Ostern. Jedenfalls bei uns Kindern. Mangels Lebenserfahrung war uns jedoch kaum bewusst, dass Ostern (im Unterschied zu Weihnachten) zu den sogenannten beweglichen Feiertagsterminen gehört und von Jahr zu Jahr früher oder später stattfindet. Allein schon deshalb können an Ostern noch durchaus winterliche Bedingungen herrschen.

Ostern und Kniesocken, das gehörte für uns zusammen, und so stritten wir jedes Jahr mit den Eltern darüber, ob es denn nun auch warm genug sei für das frühlingshafte Outfit. Dennoch wäre es uns nie in den Sinn gekommen, in Ostern das Kniesockenfest zu sehen. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass sich diese Feiertage kurz nach Frühlingsbeginn auf die zentralen Punkte der christlichen Heilsgeschichte bezogen. Das hörten wir in der Familie, im Gottesdienst und im Religionsunterricht, der damals noch streng konfessionell getrennt stattfand.

Von dieser Selbstverständlichkeit sind wir heute weit entfernt. Das Wissensdefizit auch in Kreisen, die mit der Arbeit mit Informationen ihren Lebensunterhalt verdienen, ist erschütternd. «Gibt es da Rituale?» Das habe ihn eine Journalistin im Zusammenhang mit Ostern gefragt, berichtete Bischof Felix Gmür bei einem Treffen mit Pfarrblattredaktionen. Jugendliche wüssten nicht einmal mehr, welcher Konfession sie angehörten, sagte Marc Fehlmann, Direktor des Historischen Museums Basel beim Medienrundgang anlässlich der neuen Ausstellung «Glaubenswelten des Mittelalters». Weil das ­Basiswissen nicht nur über die Bedeutung der religiösen Feiertage, sondern über das ABC des Christentums immer mehr schwindet, sind die eindrücklichen und teilweise äusserst prachtvollen Ausstellungsobjekte im Chor der ehemaligen Franziskanerkirche am Barfüsserplatz von betont unakademischen Texten begleitet.

Zugegeben: Nicht alles, was zur Osterbotschaft gehört, ist einfach zu verstehen. Von den Toten auferstanden – wie ist das möglich? Oder vielmehr: Wie ist das gemeint? Der Blick in die Natur gibt uns einen Hinweis. Zwar hat sich zwei Wochen vor Ostern der Winter nochmals deutlich zu Wort gemeldet. Unter dem Schnee spriesst es aber schon überall. Wenn wir die Augen öffnen, sehen wir frisches Grün, neues Leben.

Regula Vogt-Kohler