04.04.2024 – Editorial

«Klostergeist» im eigenen Leben

Waren Sie schon mal für ein paar Tage oder Wochen im Kloster? Was haben Sie aus dieser Zeit in ihren Alltag mit zurückgenommen?

Ich selbst habe vor einigen Jahren, während meiner Semesterferien, eine Woche in einem Kloster der Liobaschwestern verbracht. Für diese Zeit durfte ich am gesamten Klosterleben der Benediktinerinnen teilhaben – von der Morgenhore um 6 Uhr bis zur Komplet um 19.30 Uhr. Zurück in meinen Alltag habe ich mitgenommen, dass vor allem die Abwechslung zwischen den verschiedenen Tätigkeitsbereichen sehr gewinnbringend ist. Wer nur theologisiert und denkt, die oder der dreht sich im eigenen Kopf bald nur noch im Kreis. Wer hingegen nur körperlich arbeitet, wird davon nach einiger Zeit müde und schafft die Arbeit nur noch mit grösserer Anstrengung. Es braucht beides im richtigen Mass, um voranzukommen.
Insgesamt ist das klösterliche Leben ein grundlegender Gegenentwurf zum Leben, das viele Menschen heute leben. Mehr Geld, mehr Besitztümer, mehr individuelle Selbstverwirklichung – das wird uns als Rezept für unser Glück verkauft. Und dann steht da auf der anderen Seite das Klosterleben und sagt: Keinen eigenen Besitz haben, sich in die Gemeinschaft hineingeben, für andere da sein und sich selbst zurückstellen, das Leben an Gott und nicht am eigenen Ego ausrichten, das macht glücklich. Zugegeben, Ordensschwester oder Ordensbruder zu werden, das können sich wahrscheinlich die wenigsten von uns vorstellen. Aber ab und an Zeit in einem Kloster verbringen und den klösterlichen Geist in unseren Alltag mit hineinnehmen, ein wenig von dem fast rebellischen Gegenentwurf leben, das wäre sicherlich nicht verkehrt.

Leonie Wollensack