Joseph Bonnemain (72), bisher Vorsitzender des Diözesangerichts und Mitglied des Domkapitels, wird neuer Bischof von Chur. | © zVg
Joseph Bonnemain (72), bisher Vorsitzender des Diözesangerichts und Mitglied des Domkapitels, wird neuer Bischof von Chur. | © zVg
15.02.2021 – Aktuell

Papst Franziskus macht Joseph Bonnemain zum Bischof von Chur

Der neue Bischof stand bereits auf der vom Domkapitel zurückgewiesenen Dreierliste

Der neue Bischof von Chur heisst Joseph Bonnemain. Papst Franziskus hat damit einen Priester aus seiner Dreierliste ernannt, die das zur Bischofswahl versammelte Domkapitel von Chur am 23. November zurückgewiesen hatte. Die Ernennung des 72-jährigen bisherigen Offizials (Gerichtsvorsitzenden) durch den Papst Franziskus hat der Vatikan am 15. Februar bekanntgegeben.

Auf dem Bischofsstuhl von Chur wird Bonnemain Nachfolger von Diözesanbischof Vitus Huonder, der das Bistum Chur von 2007 bis 2019 geleitet hatte. Seit Huonders Rücktritt im Mai 2019 wird das Bistum interimistisch von Bischof Peter Bürcher als Apostolischem Administrator geleitet. Der Amtsantritt des neuen Bischofs erfolgt am Tag seiner Bischofsweihe und kirchenrechtlichen «Besitzergreifung» der Diözese; dieses Datum wird laut einer Mitteilung des Bistums Chur so bald wie möglich bekanntgegeben. Bis dahin bleibt der Apostolische Administrator im Amt.

Zusammen mit der Bekanntgabe des Namens kündigte das Bistum Chur an, dass Bischof Peter Bürcher, Weihbischof Marian Eleganti und der neu ernannte Bischof Joseph Bonnemain gleichentags um 18 Uhr in der Kathedrale in Chur gemeinsam eine Eucharistie für die Anliegen aller Menschen im Bistum feiern würden – als Zeichen der Einheit. Alle Kirchen des Bistums wurden eingeladen, um 18 Uhr ihre Glocken läuten zu lassen.

«Geschwisterlichtkeit und Hoffnung»

Nach der Bekanntgabe der Ernennung veröffentlichte das Bistum Chur ein Grusswort von Joseph Bonnemain an die «lieben Christgläubigen, Frauen und Männer im Bistum Chur». Darin schreibt der künftige Bischof, dass das Bistum Chur Spannungen, Spaltungen und Polarisierungen durchleide, die es sich nicht leisten könne. Was die Menschen jetzt brauchten, sei – mit einem aktuellen Wort von Papst Franziskus – eine «Impfung der Geschwisterlichkeit und Hoffnung». Zu Recht erwarteten die Menschen, dass die Kirche darin ein Vorbild sei. Da in den letzten Jahren zu viel gesagt, gesprochen und geschrieben worden sei, werde er sich bis zu seiner Amtseinsetzung vorläufig nicht äussern. Vielmehr möchte er handeln, denn es gebe viel zu tun.

Wichtiger als seine Ernennung seien die Menschen, die unter der Pandemie litten, Opfer geworden seien und sich in vielerlei Hinsicht in einer schwierigen Situation befänden. «Es ist eine grosse Solidarität gefragt in unserem Land und zugleich mit der ganzen Welt.» Bonnemain bat alle, die in den letzten Jahren viel für einen neuen Bischof von Chur gebetet hätten, jetzt mit dieser Gebetsunterstützung nicht aufzuhören: «Ich brauche diese künftig noch viel mehr.»

Spanien, Rom, Zürich und Chur

Joseph Maria Bonnemain, Bürger von Les Pommerats in den Freibergen (Kanton Jura), wurde 1948 in Barcelona geboren. Dort besuchte er die Schulen bis zur Matura 1967. Anschliessend studierte er Medizin an der Universität Zürich (1975 Dr. med.), Philosophie und Theologie in Rom und Kirchenrecht an der vom Opus Dei geführten Universität Navarra in Pamplona (1980 Dr. iur. can.). Bonnemain wurde 1978 vom Wiener Kardinal König zum Priester der Prälatur Opus Dei geweiht. Er arbeitete als Studentenseelsorger in der spanischen Region Navarra und von 1980 bis 1989 in Zürich. Seit 1985 bis heute wirkt Bonnemain zudem als Spitalseelsorger des Spitals Limmattal in Schlieren.

Seit 40 Jahren hat Joseph Bonnemain zahlreiche Funktionen im Dienst der Bischöfe Vonderach, Haas, Grab und Huonder am Bischofssitz in Chur ausgeübt: Ab 1981 Diözesanrichter, ab 1982 Vizeoffizial, ab 1989 bis heute Gerichtsvikar (Offizial, Gerichtsvorsitzender) der Diözese; ab 2003 residierender Domherr des Domkapitels von Chur, ab 2008 Mitglied des Bischofsrates, ab 2011 Bischofsvikar für die Beziehungen zu den Staatskirchenrechtlichen Organisationen und den Kantonen der Diözese Chur. Auch unter dem Apostolischen Administrator Bischof Bürcher behielt er diese Funktionen. Während mehreren Jahren war Bonnemain Mitglied des Diözesanen Priesterrates und Delegierter des Bischofsrates im Rat der Laientheologinnen, Laientheologen und Diakone des Bistums. Seit 2015 präsidiert er die Diözesane Fortbildungskommission.

Von 1983 bis 1991 war der als Arzt ausgebildete Bonnemain Mitglied der Delegation des Vatikans bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf. Schweizweit bekannt wurde Bonnemain durch sein Amt als Sekretär des von der Schweizer Bischofskonferenz geschaffenen Fachgremiums «Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld», das er seit der Gründung dieses Gremiums im Jahr 2002 bis heute ausübt.

Vom Domkapitel abgelehnt

Eigentlich wird der Bischof von Chur durch das Domkapitel des Bistums gewählt, dies aus einer vom Papst vorgelegten Dreierliste. Bei der Wahlsitzung des Domkapitels am 23. November 2020 kam es jedoch zum Eklat: Laut einem vom Portal kath.ch veröffentlichten Protokoll lehnte es das Domkapitel auf Antrag des langjährigen Generalvikars Martin Grichting mit 11 gegen 10 Stimmen ab, auf die vom Päpstlichen Nuntius überbrachte Dreierliste einzutreten. Auf dieser standen Joseph Bonnemain sowie die Äbte Vigeli Monn von Disentis und Mauro-Giuseppe Lepori, Generalabt des Zisterzienserordens. Laut dem Protokoll bezeichnete Grichting diese Dreierliste aus Rom als «feindliche Übernahme des Bistums Chur durch die Bischöfe von Basel, St. Gallen und den Abt von Einsiedeln». Zur Person des als einziger von der Dreierliste an der Sitzung anwesenden Joseph Bonnemain erklärte der Domkustos Gion-Luzi Bühler, Bonnemain sei als früherer enger Mitarbeiter von Bischof Wolfgang Haas für ihn eine «Lichtgestalt» gewesen, habe sich jedoch «massiv gewandelt» und sei nun «die grösste Priesterenttäuschung seines Lebens».

Durch das Nichteintreten desavouierte das Domkapitel den Wahlvorschlag des Papstes und verzichtete auf sein Recht der Bischofswahl. Papst Franziskus hat nun seinerseits die Einwände einer knappen Mehrheit des Domkapitels übergangen und aus seiner ursprüglichen Dreierliste Joseph Bonnemain zum Bischof ernannt.

«Ein Brückenbauer»

Als Priester des Opus Dei und langjähriger loyaler Mitarbeiter auch der Bischöfe Haas und Huonder galt Joseph Bonnemain lange als Exponent kirchenpolitisch konservativer Auffassungen. Während jedoch in der Churer Bistumsleitung unter Federführung von Generalvikar Martin Grichting eine pointiert kritische Haltung gegenüber dem staatskirchenrechtlichen System der Schweiz vorherrschte, erwarb sich Bonnemain als zuständiger Beauftragter des Bischofs bei den staatskirchenrechtlichen Organisationen den Ruf eines offenen Gesprächspartners. Respekt aus dem eher progressiven Lager trug ihm auch sein Engagement im Fachgremium der Bischofskonferenz gegen sexuelle Übergriffe ein. Seine Ernennung zum Bischof löste denn auch viele erleichterte Reaktionen aus.

So würdigte die Schweizer Bischofskonferenz Bonnemain als «empathischen Seelsorger» und «dezidierten Fachmann» im schwierigen Dossier der sexuellen Übergriffe. Er habe als Sekretär das Fachgremium 18 Jahre lang couragiert und umsichtig unterstützt und massgeblich zum Entstehen der aktuellen Richtlinien und zur Gründung der Kommission Genugtuung beigetragen. Ausdrücklich hoffen die Bischöfe, dass Bonnemain in der SBK «auch weiterhin und mit derselben Tatkraft für die Opfer von Übergriffen einstehen wird».

Bischof Felix Gmür, Bischof von Basel und Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, schrieb, nach jahrelangem Warten auf einen neuen Bischof sei die Wahl von Joseph Maria Bonnemain «ein grosses Zeichen des Friedens und der Hoffnung für das Bistum Chur und die gesamte Kirche in der Schweiz». Bischof Joseph sei ein Brückenbauer – «ein Mensch der Klarheit und ein ausgleichender Geistlicher, der es versteht, Meinungen zu integrieren».

Renata Asal-Steger und Daniel Kosch, Präsidentin und Generalsekretär des Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), anerkennen in einer gemeinsamen Stellungnahme, Bonnemain habe während Jahren die Zusammenarbeit mit den staatskirchenrechtlichen Körperschaften gepflegt und weiterentwickelt.

Zahlreiche weitere Reaktionen zur Ernennung von Bischof Joseph Bonnemain hat das Portal kath.ch zusammengetragen.

Christian von Arx