06.12.2018 – Editorial

Interview mit Jesus

Was würde Jesus zur Weihnachtsgeschichte sagen? In einem fiktiven Interview in der «SonntagsZeitung» lässt der Verfasser den Mann aus Nazaret radikal aufräumen mit dem Fest zu seiner Geburt. Engel und Hirten, Krippe und Stall: Das alles hätten die Evangelisten Markus und Lukas als wundersame Erzählung erfunden, um aus ihm einen Helden zu machen. Zu Recht hätten die Christen in den ersten vier Jahrhunderten seine Geburt überhaupt nicht gefeiert. Heute seien die verbürgerlichten, satten Christen Europas nur noch fähig, harmlos Weihnachten zu feiern. In diesem «Interview» lässt Jesus einzig seine gesellschaftskritischen Taten gelten, für die er von den Mächtigen gekreuzigt wurde. Christen sollten seinen Tod und seine Auferstehung an Karfreitag und Ostern feiern, aber wegkommen von der «Droge» Weihnachten, die das Christentum zahnlos mache.

Tatsächlich handeln die Berichte des Neuen Testaments vor allem vom öffentlichen Wirken Jesu, von seinem Leiden und der Auferstehung. In zwei der vier Evangelien steht kein Wort von seiner Geburt. Nur Matthäus und Lukas stellen sich die Frage, wie der Gottessohn auf die Welt gekommen sei. Und wir würden sie vermutlich missverstehen, wenn wir ihre Erzählung als Reportage von Beobachtern oder als moderne Geschichtsschreibung lesen würden. Was sie uns mitteilen wollen, ist eher eine theologische Deutung von Christi Geburt.

Niemand von uns weiss, wie es war. Mir scheint, dass besonders die Geburtsgeschichte von Lukas ein einzigartiger Versuch ist, uns besser erahnen zu lassen, wer Jesus ist. Sie interessiert sich für den Gottessohn als das, was wir Menschen alle sind, als Kind einer Frau. Lukas will, dass wir ihn als Neugeborenen sehen: In Windeln gewickelt, in einer Krippe. Ein Kind, das einfache Leute als Eltern hat. Er lässt Hirten – nicht Fürsten oder Hohepriester – als erste die Ankunft des Retters erkennen. Und nur bei Lukas lesen wir den Lobgesang Marias während ihrer Schwangerschaft, in dem sie Gott preist: «Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.» Ist das harmlos?

Ich möchte auf Lukas und seine Erzählung von der Geburt Jesu auf keinen Fall verzichten. Sie sind menschlich, lebenspraktisch und nehmen uns von Anfang an mit auf den Weg, den das Kind Jesus vor sich hat. Seit Jahrhunderten lassen sich Menschen davon berühren, legen ihre Härte ab und spüren, dass dieser Jesus genau sie meint. Das ist es, was die Frohe Botschaft will.

Christian von Arx