November, eine Zeit des Übergangs: Tod und Abschied, aber auch bereits Erwartung und Neubeginn. | © Andreas Hermsdorf/pixelio.de
November, eine Zeit des Übergangs: Tod und Abschied, aber auch bereits Erwartung und Neubeginn. | © Andreas Hermsdorf/pixelio.de
15.11.2018 – Impuls

Daniel 12,1–3

In jener Zeit tritt Michael auf, der grosse Engelfürst, der für die Söhne deines Volkes eintritt. Dann kommt eine Zeit der Not, wie noch keine da war, seit es Völker gibt, bis zu jener Zeit. Doch dein Volk wird in jener Zeit ge­rettet, jeder, der im Buch verzeichnet ist.
Von ­denen, die im Land des Staubes schlafen, ­werden viele erwachen, die einen zum ewigen Leben, die anderen zur Schmach, zu ewigem Abscheu. Die Verständigen werden strahlen, wie der Himmel strahlt; und die Männer, die viele zum rechten Tun geführt haben, werden immer und ewig wie die Sterne leuchten.

Einheitsübersetzung

 

Hoffnung auf barmherzige Gerechtigkeit

Er ist nicht sehr beliebt, der Monat November. Für die meisten Mitmenschen ist er einfach nur grau, trist und traurig. Nicht wenige entfliehen in dieser Zeit der Nebelküche und tanken irgendwo im Süden ein paar Sonnenstrahlen.

Für mich hat aber auch der November sein ganz eigenes Geheimnis. Ja, manchmal brauche ich diese Tage, an denen es gar nicht so richtig hell werden mag, diese Tage mit dem Schmuddelwetter, an denen einen schon der Blick aus dem Fenster leicht melancholisch werden lässt. Die Traurigkeit des zu Ende gehenden Herbstes steigt im Herzen auf, und die Sehnsucht nach Licht und Wärme wird lebendig. Es ist eine Zeit, in der ruhig einmal ein wenig Traurigkeit in mir sein darf. Es ist eine Art «Pufferzeit» zwischen den letzten goldenen Herbsttagen und den ersten Tagen des Advents. Eine Zeit des Übergangs – nicht mehr so richtig Herbst, aber auch noch kein Winter. Auf der einen Seite Tod und Abschied und auf der anderen Seite bereits Erwartung und Neubeginn.

Und alle Jahre wieder, genau in dieser trüben Zeit des Novembers, am Ende des Kirchenjahres, in diesen Tagen, wo wir unserer Toten gedenken, geht es auch in den Lesungen unserer Gottesdienste um «Eschatologie», das heisst, um die «letzten Dinge». Solche Texte muten uns manchmal ganz schön fremd oder gar beängstigend an. Und doch sind es «Trosttexte», die in Zeiten der Not und Bedrängnis geschrieben wurden. Ihre Intention ist es, Hoffnung zu wecken, Hoffnung auf Vollendung, Hoffnung auf eine ewige Gemeinschaft mit Gott, Sehnsucht nach einem Gott, der Gerechtigkeit schafft.

Die alttestamentlichen Schriften fragen vor allem nach dem rechten, nämlich dem gerechten Leben in dieser Welt. Was nach dem Tod geschieht, wird hingegen selten erörtert; das Heil, das von Gott erhofft wird, wird für dieses Leben erwartet. Doch was ist mit denen, die ungerecht leiden müssen? Was wird aus den unerfüllten Hoffnungen, den abgebrochenen Wegen? Kann Gott jenseits der Todesschwelle nichts mehr tun? Um diese bedrängenden Fragen kristallisiert sich biblische Auferstehungshoffnung.

Das Danielbuch ist eines der späten Bücher des Alten Testamentes und es spricht ausdrücklich und in der Bibel zum ersten Mal von einer individuellen Hoffnung auf ein Leben jenseits der Todesgrenze. Entstanden in einer Zeit der Verfolgung des Judentums spricht dieses Buch von der Sehnsucht nach einer Gerechtigkeit Gottes, die eines Tages ausgleichen und recht machen möge, was in dieser Welt unrecht war. Es bringt die Hoffnung zum Ausdruck, dass Gott am Ende unterscheidet zwischen denen, die ihm treu waren, und denen, die sich in ihrem Leben von Gott abgewendet haben.

Der Gedanke, dass es eine Gerechtigkeit geben könnte, die ausgleicht, was jetzt ungerecht und unausgeglichen ist, scheint manches ertragbarer zu machen und mag auch uns heute helfen, dem zu begegnen, was jetzt schwierig ist. Gottes Gerechtigkeit aber rechnet nicht. Sie repariert. Sie macht heil, was unheil, zerbrochen oder ungerecht war. Als liebende Gerechtigkeit versöhnt sie barmherzig selbst das, was uns jetzt unversöhnlich erscheint. Gott wird Gerechtigkeit schaffen, auch wenn sie im irdischen Leben verwehrt blieb. Im Vertrauen auf den lebendigen und Leben schaffenden Gott hoffen wir darauf, dass er niemanden dem Tod überlässt, sondern allen, die ihn suchen, sein ewiges Leben schenkt.

Nadia Miriam Keller, Theologin, ursprünglich Pflegefachfrau, arbeitet in der Pfarrei St. Odilia, Arlesheim