12.08.2021 – Editorial

Glaubwürdigkeit statt Geld

Konzernverantwortungsinitiative! Von dieser Abstimmung im letzten Herbst fühlten sich ausserordentlich viele kirchlich engagierte Menschen herausgefordert. 700 Pfarreien und Kirchgemeinden traten dem Komitee «Kirche für Konzernverantwortung» bei. Kirchliche Gremien aller Art haben die orange Fahne hochgehalten und für die Initiative Partei ergriffen.

Das fiel auf und gab zu reden. Gegner stellten in Frage, ob Kirchen berechtigt seien, sich so zu engagieren. Das gipfelte im Versuch, die Kirchen auf gerichtlichem Weg zum Schweigen zu bringen: In mehreren Kantonen wurden Beschwerden gegen reformierte und katholische Kirchgemeinden und gegen drei Landeskirchen, darunter die katholische im Thurgau, eingereicht. Ihr Eingreifen in den Abstimmungskampf sei unzulässig, hiess es darin.

Der Versuch lief ins Leere: Vor der Abstimmung lehnte das Bundesgericht ein vorsorgliches Eingreifen ab, und im Nachhinein sah es kein Interesse mehr an der Behandlung der Beschwerden, weil die Initiative abgelehnt worden war. Wir wissen also nicht, wie das oberste Gericht die Frage beurteilt hätte. Das lässt den Kirchen Freiheit, ihr Handeln zu überdenken und sich eigene Leitlinien zu geben. Der nächste Abstimmungskampf kommt bestimmt!

Für mich steht fest: Kirchen haben das Recht, sich zu allen Themen zu äussern. Auch zu politischen Fragen, auch zu Abstimmungsfragen. Glaubensüberzeugungen betreffen auch Fragen unseres Zusammenlebens. Sie zu äussern, gehört zur Glaubens- und zur Meinungsfreiheit. Die Kirchen müssen ihre Freiheit gebrauchen und sie entschlossen verteidigen.

Aber: Die staatlich anerkannten Kirchgemeinden und Landeskirchen sind nicht frei darin, wie sie ihe Kirchensteuern verwenden. Eine aktuelle Studie aus dem Institut für Religionsrecht der Uni Freiburg empfiehlt ihnen, keine Mittel aus den Kirchensteuern der Unternehmen und keine staatlichen Beiträge für Abstimmungskämpfe einzusetzen. Als weitere Grundsätze nennt der Verfasser Transparenz und Verhältnismässigkeit des Mitteleinsatzes sowie die Sachlichkeit in der Meinungsäusserung.

Das sind Gebote, an die sich die Kirchen in ihrem eigenen Interesse halten sollten. Auch gegenüber ihren Mitgliedern müssen sie Rechenschaft ablegen. Ja, Kirchen sollen in Abstimmungskämpfen die Sicht ihres Glaubens einbringen. Doch den Einsatz grosser Geldmittel überlassen sie besser anderen. Überzeugen können die Kirchen nur mit Glaubwürdigkeit – und die kann man nicht kaufen.

Christian von Arx