26.09.2019 – Editorial

Gartengäste

Wir haben keine Haustiere, aber dennoch gibt es in unserem Haushalt Tiere. Oder besser gesagt: spielen Tiere eine Rolle. Zu den regelmässigen Gästen, die sich in unserem Garten aufhalten, gehören zwei Katzen, eine schwarzweisse und ein Tigerli. Sie fühlen sich bei uns sichtlich zuhause und reagieren immer etwas unwirsch, wenn wir sie am gerade aktuellen Lieblingsplätzchen stören. Wir haben mit den beiden eine Abmachung getroffen, an die sie sich mehr oder weniger halten: Garten ja, Haus nein.

Stammgäste sind auch viele Vögel, wobei wir natürlich nicht wissen, ob es immer die gleichen Spatzen, Amseln und so weiter sind. Neben verschiedenen Sträuchern verfügt unser Garten über eine Attraktion, die bei unseren gefiederten Besuchern besonders beliebt ist: eine leicht durchhängende Dachrinne, die als Vogelbad dient. Dass es hier noch Wasser gibt, auch wenn alle Pfützen schon ausgetrocknet sind, scheint sich herumgesprochen zu haben. Jedenfalls herrscht in der Badi am Rande unseres Sitzplatzdaches nach Regenfällen stets reger Betrieb, und manchmal sind die Vögel so sehr in ihren Badeplausch vertieft, dass wir uns heranschleichen und ihnen zuschauen können.

Sitzt man an lauen Sommerabenden, von Vogelgezwitscher akustisch eingehüllt, im Garten, liegt der Gedanke, dass die Welt aus den Fugen geraten sein könnte, fern. Jedenfalls solange kein Flugzeug die Idylle unterbricht. Eine Mischung von Harmonie und Magie macht sich breit in dieser Phase zwischen Tag und Nacht, ein Gefühl, das an die Kindheit erinnert. Der Horizont des Daseins schrumpft auf ein persönliches Reich, in welchem die restliche Welt mit ihren Problemen ausgeblendet ist. So umschreibt es die australisch-neuseeländische Rockband Crowded House in ihrem Song «Private Universe»: «Es fühlt sich an, als ob nichts wichtig wäre in unserem privaten Universum.»

In meiner Lieblingsstrophe des Lieds geht es um Vögel: «Jeden Abend etwa um sechs Uhr kehren die Vögel zur Palme zurück, um sich zu unterhalten. Sie sprechen mit mir, Vögel sprechen mit mir, wenn ich mich hinknie.» Jedes Mal, wenn ich diese Passage höre, kommt mit Franz von Assisi in den Sinn, und ich verstehe dann den Text als Inspiration für unsere Beziehung zu Tieren. Niederknien heisst für mich, dass ich mich dem Tier als Mitgeschöpf nähere, nicht aus einer Position der Überlegenheit, sondern der Demut.

Regula Vogt-Kohler