06.05.2021 – Editorial

Mit Respekt

«Mit meinen Überzeugungen, aber im Respekt und im Dialog mit anderen Überzeugungen»: So umschreibt Weihbischof Denis Theurillat das Rezept, mit dem es ihm möglich war, als überzeugter Jurassier viele Jahre als Priester im Berner Jura und später als residierender Domherr des Kantons Bern im Domkapitel des Bistums Basel zu wirken. Mehrmals und eindringlich pocht Theurillat im Interview über seinen Weg durch Jahrzehnte des Jurakonflikts auf die Worte Dialog und Respekt.

Na klar, Respekt für die andern – was denn sonst? Das haben wir doch alle von klein auf gehört. Aber wenns drauf ankommt, ist es schwer. Man muss nicht nach Nordirland, ins Baskenland, nach Kosovo, Armenien oder Palästina reisen, um das zu erfahren. Auch bei uns im Jura hat man es erlebt. Schlimmer noch als die Akte von Gewalt und Terror war die Saat von Verachtung und Hass, die über Generationen in den Herzen aufging. Lange lag die Macht nur auf der einen Seite. Wer sich erniedrigt und ungerecht behandelt fühlt, braucht übermenschliche Grösse, um nicht selbst ungerecht zu werden. «Manchmal spürte ich, dass der Dialog nicht möglich war, auch das habe ich erlebt», sagt Theurillat über seine Jahre in Tramelan-Malleray-Tavannes. Bei ihm ist es keine Floskel, wenn er darauf beharrt: «Immer mit dem Respekt für die Meinungen anderer Menschen!»

Für mich hat diese Erfahrung viel mit unserer Kirche zu tun. «Ihr macht uns die Kirche kaputt … doch wir lassen das nicht zu!» – der Buchtitel des Freiburger Theologieprofessors Daniel Bogner bringt die Gefühlslage vieler Katholikinnen und Katholiken auf den Punkt. Die Meinungsverschiedenheiten über den Weg in die Zukunft sind gross, die Gegensätze scheinen unüberbrückbar. So manche Debatte endet mit dem immer gleichen, falschen Satz: «Dann treten Sie doch aus der Kirche aus!»

Auch im Jurakonflikt hatten sich wohl manche gewünscht, die «anderen» würden einfach auswandern. Aber der Jura war und ist die Heimat beider Seiten des Konflikts. Auch die Kirche ist kein Klub von Gleichgesinnten, sondern Heimat aller Getauften. Und aus einer Heimat tritt man nicht aus, auch wenn sie einem fremd werden kann.

Ja, es fällt schwer, völlig andere, gegensätzliche Meinungen zu respektieren. Es ist gut, sich selbst und seiner Überzeugung treu zu bleiben. «Aber man muss gemeinsam einen Weg finden und einen ständigen Dialog führen, um Argumente auf den Tisch zu legen. Mit Respekt, das liegt mir sehr am Herzen», sagt uns der abtretende Weihbischof Denis.

Christian von Arx