Palme beim Kloster St. Georg im Wadi Qelt (Westjordanland). | © Dorothee Becker
Palme beim Kloster St. Georg im Wadi Qelt (Westjordanland). | © Dorothee Becker
07.09.2023 – Impuls

Buch der Richterinnen und Richter 5,1.3.6–7.24.31

Debora – und Barak ben-Abinoam – sang an jenem Tag:
Hört, ihr Könige, merkt auf, ihr Oberhäupter!
Ich will Adonaj, ich will singen
ich will Adonaj spielen, der Gottheit Israels.
In den Tagen Schamgars ben-Anat, in den Tagen Jaëls,
hatten die Karawanen aufgehört,
und die auf Pfaden gehen, mussten krumme Wege gehen.
Freie Bauernschaft gab es nicht mehr, in Israel gab es sie nicht mehr,
bis ich aufstand, Debora, bis ich aufstand, eine Mutter in Israel.
Gesegnet unter den Frauen sei Jaël,
die Frau des Keniters Heber,
vor den Frauen im Zelt sei sie gesegnet!
So mögen alle, die dir, Adonaj, Feind sind, zugrunde gehen!
Die dich lieben sind wie die Sonne beim Aufgang in ihrer Pracht.
Und das Land hatte 40 Jahre lang Ruhe.

Bibel in gerechter Sprache

 

Frieden schaffen – doch wie?

Zwei Frauen spielen in der Geschichte um Debora die Hauptrollen. Debora, Prophetin und Richterin. Jahwe sagt ihr, dass sie den Heerführer Barak dazu bewegen soll, auf dem Berg Tabor in den Krieg zu ziehen, um die Israeliten von ihren Unterdrückern zu befreien, nach 20 Jahren Fremdherrschaft. Damit die Stämme Israels wieder frei und in Frieden leben können. Frieden ohne Freiheit geht nämlich nicht. Doch er will nicht ohne sie gehen – und so begleitet sie ihn und macht zugleich deutlich, dass nicht er den Ruhm einheimsen wird, sondern eine Frau. Die andere Frau in dieser Geschichte: Jaël. Zu ihr, der Frau eines Verbündeten, flieht der Heerführer Sisera, versteckt sich bei ihr unter einem Teppich vor der Streitmacht Baraks. Sie gibt ihm Milch zu trinken und durchbohrt seine Schläfe mit einem Pflock.

Debora spricht Recht. Jaël handelt. Zwei Frauen, die auf unterschiedliche Weise und doch gemeinsam den Frieden wiederherstellen. «Und das Land hatte 40 Jahre lang Ruhe», heisst es am Ende von Deboras und Baraks Siegeslied.

Mütterlich und kriegerisch handeln zugleich. Debora, die Barak gleichsam an die Hand nimmt und ihn begleitet in die Schlacht. Jaël, die Sisera wie eine Mutter mit Milch nährt. Und dann brutal umbringt. Damit Frieden geschaffen wird. Damit das Land Ruhe hat.

Heiligt der Zweck die Mittel? Ist Mord und Gewalt legitim, um Frieden zu schaffen? Haben nicht auch wir Sehnsucht nach jemandem, der oder die das Recht in die Hand nimmt und Ruhe und Frieden wiederherstellt? In der Ukraine und in Russland, in Niger, im Iran, in so vielen Ländern, an so vielen Orten der Welt, wo Krieg herrscht, Menschen unterdrückt werden, Unfreiheit an der Tagesordnung ist?

Es ist nicht lösbar. Damals nicht. Und heute auch nicht. Damals wie heute gilt: Es ist so schwer, Frieden zu schaffen, und wir wünschten uns so sehr, dass es ohne Waffen möglich wäre. Dass Versöhnung auf friedlichem Weg geschieht. Doch Jahwe ist parteiisch. Jahwe steht auf der Seite der Unterdrückten. Lässt die Schwachen nicht hilflos zurück, sondern ist auf ihrer Seite, steht ihnen bei in ihrem Kampf um Befreiung.

Was bleibt uns heute aus dieser Geschichte von Debora, Jaël und Barak? Gemeinsam haben sie es geschafft, die Stämme Israels zu befreien und für 40 Jahre Frieden zu schaffen. Und gemeinsam haben Debora und Barak ein Lied gesungen. Ein Siegeslied. Mit Klage über die Unterdrückung und Freude über den Sieg. Gemeinsam etwas bewirken. Nicht als Einzelkämpfer und -kämpferinnen. Debora mit Barak und Jaël zusammen. Wenn wir uns vernetzen und verbinden, dann kann Gutes auch aus Schrecklichem entstehen. Dann können sich Verhältnisse ändern. Dann wird Frieden möglich für vierzig Jahre und länger.

Dorothee Becker, Theologin und Seelsorgerin.
Gemeindeleiterin der Pfarrei St. Franziskus,
Riehen-Bettingen