Helen Schüngel-Straumann bei der Präsentation ihrer Autobiografie im November 2011. | © Archiv kh
Helen Schüngel-Straumann bei der Präsentation ihrer Autobiografie im November 2011. | © Archiv kh
30.04.2020 – Aktuell

Eine streitbare Theologin wird 80

Helen Schüngel-Straumann ist eine Pionierin der feministischen Theologie

Die in Basel lebende Bibelwissenschaftlerin Helen Schüngel-Straumann hat als eine der ersten Frauen einen Doktortitel in katholischer Theologie erworben. Am 5. Mai wird die Pionierin der feministischen Bibelforschung 80 Jahre alt.

«Meine Wege und Umwege. Eine feministische Theologin unterwegs»: So lautet der Titel ihrer Autobiografie, die Helen Schüngel-Straumann im November 2011 vorgelegt hat. Zu ihrem hindernisreichen Werdegang hätte sich die bald 80-Jährige am 10. Mai in der Offenen Kirche Elisabethen mit Doris Strahm unterhalten wollen. Wegen Corona fällt dieser Anlass nun ins Wasser, wenigstens für den Moment. Wenn es die Entwicklung der Coronakrise erlaubt, soll im Sommer ein neuer Termin für den Herbst bekannt gegeben werden, sagt Helen Schüngel-Straumann auf Anfrage. Auch die privaten Geburtstagfeiern im Familien- und Freundeskreis muss sie verschieben.

Erste Laiin mit Doktortitel

Der Weg, den sie zurückgelegt hat, zeichnete sich bei ihrer Geburt im ersten Jahr des Zweiten Weltkriegs, in keiner Weise ab. Helen Schüngel-Straumann kam am 5. Mai 1940 als erstes von fünf Kindern in St. Gallen zur Welt. Da ihr Vater Zollbeamter war verbrachte sie ihre Schulzeit in fünf verschiedenen Kantonen. Von 1950 bis 1956 lebte die Familie in Basel. Hier befinden sich der Sitz und die Bibliothek der 1996 gegründeten Helen Straumann-Stiftung für Feministische Theologie, und hierher ist sie 2008 bei ihrer Rückkehr in die Schweiz gezogen.

Zum Theologiestudium kam sie über einen Umweg. Sie arbeitete nach der Handelsschule als Sekretärin und absolvierte die Matur auf dem zweiten Bildungsweg. War damals schon ein Studium für ein katholisches Mädchen ungewöhnlich, so war es erst recht die Wahl des Studienfachs. 1960 begann sie in Tübingen Theologie zu studieren. 1968 promovierte sie in Bonn als erster Laie und als erste Frau in katholischer Theologie/Altes Testament.

«Mit Bibel und Windeln»

Der weitere Weg verlief alles andere als gradlinig. Nie habe sie das Heiraten als einen Weg für sich gesehen, schreibt Schüngel-Straumann in ihrer Autobiografie. Sie heiratete dann trotzdem und hatte zwei Söhne. Die erste Promotion einer Frau in katholischer Theologie in Bonn würdigte der Kölner Stadt-Anzeiger mit einem Beitrag unter dem Titel «Mit Bibel und Windeln».

Beruflich ging es zunächst eher holprig weiter. Nach Lehrtätigkeiten an verschiedenen Schulen und Hochschulen erfolgte 1987 erfolgte die Berufung auf den Lehrstuhl für Biblische Theologie an der Gesamthochschule/Universität Kassel. Hier wirkte sie bis zu ihrer Emeritierung 2001 als Professorin.

Die Situation der Frauen in Kirche und Theologie beschäftigte Schüngel-Straumann auch theologisch immer stärker. Sie gehört zur Generation von Theologinnen, die bei Treffen und Gründungen Feministischer Theologie von Anfang dabei waren. Von der Einberufung einer neuen Studienkommission zum Frauendiakonat durch Papst Franziskus erwartet sie nichts Neues. Ist ein Austritt aus der katholischen Kirche eine Option für sie? «Überhaupt nicht», sagt sie.

Regula Vogt-Kohler