29.12.2022 – Editorial

Ein Moment der Stille

Er ist ja willkürlich gewählt, unser Jahresanfang am 1. Januar. Andere Kulturen lassen das Jahr an anderen Terminen beginnen. Auch im europäischen Mittelalter galten je nach Ort unterschiedliche Neujahrstage, etwa der 25. Dezember, der 1. März oder Ostern.

Aber wie der Sonntag mit der Woche zu sieben Tagen, so ist auch Neujahr ein Geschenk. Wie stellen Sie sich Ihren Moment des Jahreswechsels vor, wie müsste er sein? Ich denke an eine kalte Nacht im Schnee, unter einem Sternenhimmel. Vielleicht auch drinnen an der Wärme, aber mit Ausblick in die Landschaft. Lichter sind sichtbar: Andere Menschen warten auch aufs neue Jahr. Alle halten inne, unsere Geschäftigkeit ruht. Kein Lärm. Nur Stille.

Dann läutet eine Kirchenglocke das alte Jahr aus, mit seinen Sorgen, Mühen, und mit all dem, was wir nicht geschafft haben. Aufatmen, nur noch Dankbarkeit. Dann ein Unterbruch, jeder lauscht auf die zwölf Glockenschläge um Mitternacht. Stille. Und jetzt eröffnen die Glocken zart das neue, noch unbekannte Jahr. Diesmal trägt ihr Geläut unsere ganzen Hoffnungen in die Nacht.

Wann habe ich den Jahresanfang das letzte Mal so erlebt? Längst beherrschen Feuerwerk, Knall und Lärm den Moment des Jahreswechsels. Die Stille sucht sich ihren Raum in unserem Innern. Dort ist auch heute jede Neujahrsnacht wie ein Heimkommen, ein Wiedersehen mit all unseren früheren Neujahrsnächten, mit dem Innehalten und mit den guten Wünschen für die Menschen, die wir lieben.

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünsche ich ein gutes Neujahr – und ein gutes neues Jahr 2023.

Christian von Arx