Über 1000 Pilgerinnen und Pilger haben sich auf den Weg nach Rom gemacht mit dem Ziel, für eine Kirche mit allen Menschen einzustehen. | © Dorothee Becker
Über 1000 Pilgerinnen und Pilger haben sich auf den Weg nach Rom gemacht mit dem Ziel, für eine Kirche mit allen Menschen einzustehen. | © Dorothee Becker
18.04.2024 – Impuls

Lukas 5, 36-38

[Jesus] erzählte ihnen aber auch ein Gleichnis: Niemand schneidet ein Stück von einem neuen Gewand ab und setzt es auf ein altes Gewand. Sonst würde ja das neue Gewand zerschnitten und zu dem alten würde das Stück von dem neuen nicht passen. Auch füllt niemand jungen Wein in alte Schläuche. Sonst würde ja der junge Wein die Schläuche zerreissen; er läuft aus und die Schläuche sind unbrauchbar. Sondern: Jungen Wein muss man in neue Schläuche füllen.

Einheitsübersetzung 2016

 

Ecclesia semper reformanda

Acht Jahre ist es her, dass etwa 1000 Menschen mit dem Projekt «Kirche mit* den Frauen» zu Fuss von St. Gallen nach Rom gepilgert sind – für Gleichberechtigung in der Kirche. Am 2. Mai 2016, dem Wiboradatag, brach eine Gruppe von Pilgerinnen und Pilgern auf und kam am 28. Juni auf dem Petersplatz in Rom an. 1200 Kilometer haben sie unter die Füsse genommen, unterwegs haben sich ihnen immer wieder andere Menschen angeschlossen. Hitze, Regen und Gewitter haben sie begleitet, Blasen an den Füssen und Unterkünfte ohne Strom und Wasser machten ihnen den Weg schwer. Doch mit dem Ziel, für eine Kirche mit allen Menschen einzustehen, haben sie die Strapazen ertragen.

Die erste Station eines Pilgerwegs durch Rom war am 2. Juli die Kirche Santa Maria sopra Minerva, in der Katharina von Siena beigesetzt ist. Katharina lebte in unruhigen Zeiten, kirchlich und politisch. Mystisch begabt, hatte sie mit sechs Jahren eine Jesusvision. Sie richtete ihr Leben völlig auf ihn aus und weigerte sich mit zwölf Jahren zu heiraten; vielmehr hatte sie sich mit 16 Jahren gegen den Widerstand ihrer Eltern dem Dritten Orden der Dominikaner angeschlossen. Dort führte sie zunächst ein kontemplatives Leben und begann nach einer weiteren Vision Arme und Kranke zu pflegen. Zugleich engagierte sie sich für Reformen in der Kirche: «Im Garten der Kirche müssten die faulenden Pflanzen ausgerissen und durch frische, duftende neue Pflanzen ersetzt werden.» Das gefiel nicht jedem: 1374 erhielt sie eine Vorladung durch die Oberen ihres Ordens. Doch die Vorwürfe wegen Ketzerei hatten keinen Bestand und fortan durfte sie offiziell predigen und ihre kirchenpolitischen, spirituellen und mystischen Schriften veröffentlichen. Sie sorgte sich um die Kirche und forderte vom Papst grundlegende Kirchenreformen. Leider vergeblich. Viel Ohnmacht wird deutlich in den Briefen am Ende ihres Lebens. Sie wurde krank und starb im Alter von nur 33 Jahren.

Sie hat sich mit aller Kraft eingesetzt für die Erneuerung der Kirche, ähnlich wie die Pilgerinnen und Pilger, die für eine «Kirche mit* den Frauen» unter Strapazen nach Rom gepilgert sind. Und wie Katharina haben auch die Pilgerinnen und Pilger einen Brief geschrieben, der aber nicht direkt von den Verantwortlichen im Vatikan entgegengenommen wurde und Papst Franziskus erst im November 2016 erreichte. Unter anderem findet sich darin folgende Bitte: «Wir bitten Sie, in den Institutionen des Vatikans und in gesamtkirchlichen Entscheidungsprozessen dafür zu sorgen, dass künftig Frauen mitwirken, mitgestalten und mitentscheiden können. Wir bitten Sie, entsprechende Ermutigungen und Weisungen auch für die Ortskirchen zu geben.»

Dieses Anliegen ist weiterhin aktuell und auch wenn Frauen wie Schwester Nathalie Becquart aus dem Organisationsteam der Weltsynode im Vatikan inzwischen an entscheidenden Stellen mitwirken können, reicht es noch nicht.

Die Anliegen von Katharina von Siena, die Anliegen des Projekts «Kirche mit* den Frauen», die Anliegen der Juniainitiative und der «Allianz Gleichwürdig Katholisch» – sie brauchen einen langen Atem und grosse Hoffnung auf die Heilige Geistkraft.

Dorothee Becker
Theologin und Seelsorgerin,
Gemeindeleiterin der Pfarrei St. Franziskus, Riehen-Bettingen