Die sichtbaren Folgen des trockenen Sommers 2018: Das ausgetrockenete Wasserbecken vor Schloss Nymphenburg bei München. Mit dem Klimawandel werden heisse Sommer häufiger. | © wikimedia commons/Wzwz
Die sichtbaren Folgen des trockenen Sommers 2018: Das ausgetrockenete Wasserbecken vor Schloss Nymphenburg bei München. Mit dem Klimawandel werden heisse Sommer häufiger. | © wikimedia commons/Wzwz
20.05.2021 – Aktuell

Nichtstun ist auch keine Lösung

Klimawandel und die Grenzen unseres Vorstellungsvermögens

Warum haben wir Mühe mit dem Klimawandel? Weshalb handeln wir so zögerlich? Paul Burger, Professor für Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Basel, sprach über den schwierigen Umgang mit nicht berechenbaren Risiken, die in ferner Zukunft liegen.

Am Freitag, 21. Mai ist der nächste Aktions- und Streiktag der Klimabewegung angesagt. Bezogen auf den Erscheinungstag dieser Pfarrblattausgabe also morgen. Das ist überschaubar. Ganz im Gegensatz dazu scheinen die gravierenden Folgen des Klimawandels weit weg. So weit weg, dass viele sich gar nicht betroffen fühlen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass es schwerfällt, liebgewonnene Gewohnheiten und Routinen im Minimum zu hinterfragen, aber nicht nur.

Grosse Unsicherheit

Beim Klimawandel gehe es um Risiken von Systemzusammenbrüchen in der Zukunft, die wir heute angehen müssten. So fasste Paul Burger in seinem Vortrag im Rahmen der Aeneas-Silvius-Ringvorlesung die Ausgangslage zusammen. Dass wir so zögerliche handeln, wie uns die Klimajugend auch am 21. Mai wieder lautstark vorwerfen wird, hat damit zu tun, dass mit diesen nicht in unmittelbarer Zukunft liegenden Risiken eine grosse Unsicherheit verbunden ist.

Unter einem Risiko versteht man die Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Ereignisses. Diese lässt sich dann beziffern, wenn man über genügend Informationen verfügt. Als Beispiele nannte Burger das Risiko, bei einem Verkehrsunfall zu sterben oder als Raucher/in an Lungenkrebs zu erkranken. Sind schon solche Risiken mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, so gilt das in viel stärkerem Masse für Gefahren, die sich bestenfalls in Modellen abbilden lassen.

Das Problem dabei sei, dass man es nicht kalkulieren könne, sagte Burger. Ein Modell sei der Versuch, die Komplexität der Zukunft abzubilden. Allein schon aus dieser Formulierung wird deutlich, dass Unsicherheit der zentrale Faktor ist. Dazu kommt im Fall des Klimawandels, dass es sich nicht um ein einzelnes Ereignis handelt und nicht nur die Wahrscheinlichkeit des Eintretens, sondern auch der daraus resultierende Schaden nicht kalkuliert werden kann.

Zum Beispiel Corona

Ein konkretes Beispiel erleben wir seit etwas mehr als einem Jahr. Mit Corona tauchte ein Risiko auf, über das wir zunächst mehr oder weniger nichts wussten. Bald schon drehten sich die Diskussionen um kontroverse Bewertungen von Schäden. Und der Versuch der Wissenschaft, mit Modellen die Zukunft verständlich zu machen, stösst an Grenzen.

Auch beim Klimawandel arbeitet die Wissenschaft mit Modellen. Die Frage sei, wie man diese interpretieren, wie man damit umgehen müsse, hielt Burger fest. Es gelte auch zu bedenken, dass wir nicht wüssten, welche Werte die Menschen im Jahr 2080 haben werden. Die Unsicherheit sei aber kein Grund zum Nichthandeln. Nichts tun sei keine Option, doch auch blinder Aktivismus sei nicht angezeigt.

Gefordert sind wir alle, insbesondere aber auch die Wissenschaft in Sachen Kommunikation. Diese sollte begreifbar machen, dass sich der Klimawandel heute schon abspielt, auch wenn die ganz grossen Risiken erst für 2050 und später erwartet werden.

Regula Vogt-Kohler