Blick von der Pfalz auf das Kleinbasler Rheinufer. Der Kanton Basel-Stadt verliert überdurchschnittlich viele Kirchenmitglieder.  | © Regula Vogt-Kohler
Blick von der Pfalz auf das Kleinbasler Rheinufer. Der Kanton Basel-Stadt verliert überdurchschnittlich viele Kirchenmitglieder. | © Regula Vogt-Kohler
17.11.2022 – Aktuell

Die Kirchen verlieren immer mehr Mitglieder

Kirchenstatistik 2021: Der Mitgliederschwund hat sich weiter beschleunigt

Auch im Jahr 2021 haben Tausende die beiden grossen Kirchen verlassen. Per Ende 2021 gehörten der katholischen Kirche in der Schweiz noch knapp drei Millionen Mitglieder an. Öffentliche Stellungnahmen der Kirchen spielen bei den Austritten eine zentrale Rolle.

Die Kirchen verlieren Mitglieder durch Tod, Wegzug und Austritte. Beim Mitgliederbestand positiv zu Buche schlagen Geburten, Zuzüge und Eintritte. In der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt sieht das für das Jahr 2021 so aus: 1109 Personen sind ausgetreten, 102 sind eingetreten; 386 Todesfällen stehen 215 Geburten gegenüber; 1341 Personen sind weggezogen, 1689 sind neu zugezogen. Daraus ergibt sich gegenüber dem Vorjahr eine Abnahme des Mitgliederbestands um 830 auf 22 370 (per 31.12.2021).

Basel-Stadt gehört zu den Kantonen, in denen die römisch-katholische Kirche überdurchschnittlich viele Mitglieder verloren hat. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Zahl der Mitglieder um 3,6 Prozent zurück. Ohne den positiven Saldo bei den Zu- und Wegzügen wäre der Verlust noch höher. Aus der auf www.rkk-bs.ch publizierten Mitgliederstatistik lässt sich im Detail verfolgen, wie sich die Zahl der Mitglieder seit 2013 entwickelt hat.

Jedes Jahr rund tausend Austritte

Dabei sticht vor allem eine mehr oder weniger konstante Zahl ins Auge: In den neun Jahren seit 2013 haben jährlich rund tausend Personen die RKK BS durch Austritt verlassen. Im gleichen Zeitraum hat die RKK BS lediglich insgesamt 1157 neue Mitglieder durch Beitritt gewonnen. Auch die Todesfälle übertrafen die Geburten jedes Jahr bei weitem. Einzig der Saldo bei den Zu- und Wegzügen war stets positiv, zwischen maximal 671 (im Jahr 214) und minimal 280 (im Jahr 2018).

Mit 2,1 Prozent liegt der Mitgliederverlust der Römisch-katholischen Landeskirche im Kanton Basel-Landschaft (RKLK BL) deutlich unter der Quote von Basel-Stadt. Weil aber die entsprechenden Daten nicht verfügbar sind, liegen die Detailzahlen für Vergleiche in den einzelnen Bereichen nicht vor. Gemäss «Baselland in Zahlen» gehörten per Ende 2021 noch 67 080 Personen der RKLK BL an. Das waren 1440 weniger als Ende 2020.

Im Kanton Solothurn ist die Zahl der Mitglieder der katholischen Kirche im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent zurückgegangen, sie lag Ende 2021 bei 80 200 Personen. Unterschiede gibt es nicht nur zwischen den Kantonen, sondern auch innerhalb der Kantone. So liegt gemäss der kantonalen Statistik für die Konfessionszugehörigkeit 2019–2021 die römisch-katholische Verlustquote im Jahr 2021 in Dornach mit 8 Prozent auffallend weit über dem kantonalen Durchschnitt.

Die Römisch-katholische Kirche im Kanton Aargau verzeichnete gemäss kantonaler Statistik Ende 2021 noch 201 499 Mitglieder (2 Prozent weniger als Ende 2020). Ein Blick auf die absoluten Zahlen zeigt schnell, dass sich im Aargau, aber auch im Baselbiet der Mitgliederschwund seit 2018 deutlich beschleunigt hat.

Die Suche nach den Gründen

Zusammenfassend hält das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) St. Gallen fest: «Die Austrittszahlen bleiben auf hohem Niveau und ein Gegentrend scheint sich nicht abzuzeichnen.» Antworten auf die Frage, wieso Jahr für Jahr Tausende die Kirche durch Austritt verlassen, geben verschiedene Studien und Erhebungen. In einem Beitrag zur Mitgliederstatistik 2021 stellt das SPI bisher unveröffentlichte Ergebnisse aus der Erhebung Sprache-Religion-Kultur des Bundesamtes für Statistik (BFS) aus dem Jahr 2019 vor.

Mit 36,8 Prozent an erster Stelle stehen bei der katholischen Kirche die öffentlichen Stellungnahmen, mit denen die Mitglieder nicht einverstanden sind, gefolgt vom verloren gegangenen Glauben (15,1 Prozent) und dem Fehlen eines Glaubens (14,7 Prozent). Bei der evangelisch-reformierten Kirche liegt der nie gehabte Glauben mit 21 Prozent an der Spitze, gefolgt von den öffentlichen Stellungnahmen (19,7 Prozent) und dem verlorenen Glauben (15 Prozent). Bei beiden Kirchen spielen laut dem SPI die Kirchensteuern als Austrittsgrund eine eher untergeordnete Rolle, bei den Reformierten mit 11,3 Prozent etwas mehr als bei den Katholiken (6,3 Prozent). Finanzielle Motive waren insbesondere bei den mittleren Altersgruppen von Bedeutung.

Die Ältesten verlieren den Glauben

Betrachtet man die verschiedenen Altersgruppen, so fällt auf, dass nicht nur die Jüngsten (15–24 Jahre), sondern auch Menschen im Alter ab 75 Jahren in höherem Ausmass angaben, ihren Glauben verloren zu haben. Zu den möglichen Gründen meint das SPI: «Könnte dieses Ergebnis mit vermehrter Krankheit oder Einsamkeit zu tun haben, welche die Menschen im vierten Lebensalter zunehmend erfahren? Es könnte jedoch auch sein, dass sich Enttäuschungen über Fehlverhalten der Kirchen hinter diesem Ergebnis verbergen, zumal die Menschen im Alter von 75 Jahren und älter noch stark kirchlich sozialisiert und geprägt sind. Der Verlust des persönlichen Glaubens wäre eine mögliche Folge.»

Aus einem Vergleich der Erhebungsjahre 2019 und 2014 ergibt sich, dass sich die prozentuale Verteilung der Gründe nicht verändert hat. Dies lasse sich auch so deuten, dass es der katholischen Kirche bisher nicht gelungen sei, wesentlichen Einfluss auf die Gründe bzw. deren Gewichtung zu nehmen, meint das SPI.

Regula Vogt-Kohler