Beim Wegräumen meiner Weihnachtskrippe habe ich einen Hirten im Wäscheschrank versteckt, damit er mich irgendwann im Jahr daran erinnert, Licht zu den Menschen tragen. | ©Felix Terrier
Beim Wegräumen meiner Weihnachtskrippe habe ich einen Hirten im Wäscheschrank versteckt, damit er mich irgendwann im Jahr daran erinnert, Licht zu den Menschen tragen. | ©Felix Terrier
25.01.2024 – Impuls

Hebräerbrief 10,23-25

Lasst uns an dem unwandelbaren Bekenntnis der Hoffnung festhalten, denn er, der die Verheissung gegeben hat, ist treu! Lasst uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen! Lasst uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander, und das umso mehr, als ihr seht, dass der Tag naht!

Einheitsübersetzung 2016

 

Der versteckte Hirte

Offiziell ist die Weihnachtszeit mit dem Dreikönigstag zu Ende gegangen, aber die ersten Christbäume lagen schon im alten Jahr draussen zum Abholen bereit. Die Eiligen wollten schnell zurück in den Alltag, vielleicht weil sie das Besondere dieses Festes jenseits von Familienfreuden und -pflichten nicht mehr wirklich verstehen, es bestenfalls noch vage ahnen. Aber auch die hartgesottensten Traditionalisten, die sich den Luxus der Erinnerung an die alte Ordnung leisten, nach der die Weihnachtszeit noch bis zum zweiten Februar gedauert hatte, legen in diesen Tagen die Heilige Familie samt Ochs und Esel, den Königen und den Hirten mit ihren Schafen sorgfältig verpackt zu den Sachen, die man nur einmal im Jahr hervorholt. Den Leuchtengeln in den Fenstern wurde der Stecker gezogen, und die Fasnachtschüechli sagen euch an: Es ist Zeit weiterzugehen!

Ja, natürlich ist es Zeit weiterzugehen. Tag für Tag breitet sich das Leben vor uns aus in seiner ganzen Vielfalt, lässt die einen im Licht baden und andere in Tränen ertrinken. Das Leben kennt königliche Geburt für die einen und Stalldreck für die anderen und alle Schattierungen dazwischen. Gerade deshalb dürfte eigentlich diese Geschichte vom Gott, der mitten im Leben der Menschen seinen Platz findet, nicht mit dem allgemeinen Lichterlöschen an den Christbäumen in Seidenpapier eingewickelt und weggelegt werden. Im Leben, das da so vorwärtsrollt, müsste gerade dies gewiss bleiben, dass Gott dort sein will, wo sich das Leben abspielt. Auch und gerade dort, wo Menschen im Dreck liegen müssen, und wo sein Lächeln das einzig hoffnungsvolle ist, das tief im Herzen so gut tut, als würden Engel singen!

Der Geschichte nach sollen auch die Hirten gleich nach dem Besuch an der Krippe wieder eilig in ihren Alltag zurückgegangen sein. Es gab keine Zeit für Sentimentalitäten, eine Herde musste versorgt werden. Aber weggelegt haben sie die Begegnung im Stall deshalb nicht! Dass Gott kein Ort, an dem Menschen leben müssen, zu schäbig ist, um diesen Ort zu seiner Mitte zu machen – jene Erfahrung hat den Hirten etwas ins Herz gezaubert, für das es keine Worte gibt, nur Dankbarkeit, die man nicht schnell im Keller ablegt.

Ich kenne mich und das schnelle Vergessen im Vorwärtsgehen im Alltag. Deshalb habe ich beim Wegräumen meiner Weihnachtskrippe heimlich einen Hirten irgendwo im Wäscheschrank oder Büchergestell versteckt, damit er mir irgendwann im Jahr unverhofft in die Hände fällt und mich daran erinnert, dass das, was wir gefeiert haben, nicht einfach vorbei ist, und ich auch mitten im Jahr etwas Weihnachtslicht zu denen tragen könnte, denen kein Stern ins Leben leuchtet. Das Christkind, versorgt im Keller, würde es sicher freuen.

Felix Terrier
Rektor der Klosterkirche Dornach