«Ich bin ganz begeistert davon!» Bischof Felix Gmür setzt grosse Hoffnungen in den jetzt beginnenden synodalen Prozess. | © Fabienne Bühler
«Ich bin ganz begeistert davon!» Bischof Felix Gmür setzt grosse Hoffnungen in den jetzt beginnenden synodalen Prozess. | © Fabienne Bühler
07.10.2021 – Aktuell

«Ringen ist etwas spezifisch Christliches»

Bischof Felix Gmür erklärt, wie der synodale Prozess abläuft und was er sich davon erhofft

Am 9. Oktober eröffnet Papst Franziskus eine zweijährige Synode mit dem Ziel, weltweit alle Gläubigen zu Wort kommen zu lassen. Bischof Felix setzt grosse Hoffnungen in diese globale, gemeinsame Wegsuche und schildert, wie sich die Katholikinnen und Katholiken im Bistum Basel einbringen können.

Welche Chance sehen Sie in dieser Synode?

Bischof Felix Gmür: Die Bischofssynode 2023 beginnt jetzt, und zwar weltweit, nicht nur in Rom. Papst Franziskus will die Synode nicht mehr als Event in Rom, sondern als Prozess gestalten: Die Chance besteht also darin, möglichst viele Leute einzubeziehen und klarzumachen: Zum synodalen Prozess gehören alle. Das ist neu.

Warum sollen die Gläubigen an dieser Umfrage teilnehmen?

Sie sollen teilnehmen, um miteinander in Dialog zu treten. Es geht nicht in erster Linie darum, dass die Leute ein Statement für den Bischof oder für den Papst abgeben, sondern dass sie aufeinander hören, die Fragen miteinander diskutieren und dann gemeinsam vorangehen. Synode heisst gemeinsames Gehen. Zum Leben als Christin und Christ gehört, dass man sich miteinander über den Glauben austauschen kann, über den Ort, den die Kirche in meinem Leben oder in der Gesellschaft und im Staat haben soll.

Wie erreichen Sie anderssprachige Menschen aus den Missionen und Kirchenferne?

Wer die Fragen auf Deutsch nicht versteht, muss sie sich übersetzen lassen. Jede und jeder kann sich einbringen, es braucht keine Nähe zur Pfarrei. Man muss sich lediglich für die Sache interessieren und sich zu fünft zusammentun.

Jede Person kann sich frei vier weitere suchen?

Ja. Um aufeinander hören zu können, braucht es eine Gruppe. Es sollten mindestens fünf sein, um nicht einfach Einzelmeinungen zu hören. Je grösser die Gruppe ist, desto besser, sie ist nach oben offen. Die Gruppe spürt vielleicht: Hier gab es Austausch, da war zuerst Unverständnis und dann Verständnis. Darum geht es.

Rom hat zehn Themenfelder mit Fragen vorgegeben. Können Sie diese in konkrete, für die Schweiz relevante Fragen umformulieren?

Der Auftrag lautet nun, die Fragen aus Rom für unsere Bistümer zu adaptieren. Bei Nummer fünf geht es um «Mitverantwortung in der Sendung», bei Nummer neun um «Unterscheiden und Entscheiden». In diesen Punkten können wir sicherlich auf spezifisch für den Schweizer Kontext wichtige Themen eingehen.

Dennoch gibt es Themen, die nur in Rom entschieden werden können, etwa die bekannten heissen Eisen: mehr Mitbestimmung von Laien, Frauenordination, Umgang mit Homosexuellen. Was ist mit solchen Themen?

Diese Themen werden in Rom entschieden. Die Grundstruktur der Kirche ist nicht in Frage gestellt. Der Papst ist der Garant der Einheit dieser Kirche. Was die ganze Welt betrifft, etwa die Frauenordination, entscheidet am Schluss der Papst. Aber Rom will eben auch hören: Ist das wirklich das Wichtigste? Betrifft das viele Leute? Und was würde das ändern? Dazu haben wir diesen Prozess.

Die abschliessende Antwort des Papstes kann ganz anders aussehen als das, was den Schweizerinnen und Schweizern unter den Nägeln brennt. Gibt es Signale aus Rom, dass regionale Lösungen denkbar sind?

Die Steuergruppe zum Synodalen Prozess des Bistums Basel wird die Antworten, die das gfs liefert, anschauen und sich fragen: Was realisieren wir in unserem Bistum? Wo müssen wir handeln und was betrifft uns weniger? Diesen Prozess der Erneuerung innerhalb des Bistums gehen wir weiter. Wie, das werden wir nach Abschluss der Befragung anschauen.

Rom hat 2014 bei der Umfrage zu Ehe und Familie aus der Schweiz die Antwort gehört, die Gleichbehandlung von Homosexuellen sei hier ein wichtiges Thema. Passiert ist nichts. Weshalb soll ich also nun wiederum an einer Umfrage teilnehmen?

Man versucht zu differenzieren und das mit einer unterschiedlichen Optik anzuschauen. Nehmen wir ein queeres Paar, das gesegnet werden möchte. Hier gilt es, auf einem gemeinsamen Weg herauszufinden, was sie mit dem Segen genau wollen: Möchten sie eine Anerkennung durch die Kirche, durch die Gesellschaft, den Beistand Gottes? Das gilt auch für Leute, die heiraten wollen. Dieses Differenzieren haben wir ein bisschen vernachlässigt, weil wir in Kategorien von Recht und Pflicht denken. Dieser Prozess wird zeigen, wie fruchtbar das ist.

Müsste man nicht bei manchen Themen auch die Theologie neu denken und sich die Frage stellen: Ist die heutige Handhabung auch theologisch noch gerechtfertigt?

Interessant ist, dass die westliche Theologie sich ziemlich eingeschossen hat auf Gebote und Verbote. Der synodale Prozess hingegen hat nicht diese Frage im Blick, sondern er fragt eher: Hilft es, das Reich Gottes zu fördern oder nicht? Die Frage lautet nicht: Darf man? Sondern: Hilft es? Das ist es, was man einen geistlichen Prozess nennt. Dieses Ringen ist etwas spezifisch Christliches. Die Jüngerinnen und Jünger, die mit Jesus unterwegs waren, haben immer wieder gerungen. Sie haben Jesus nicht verstanden und nach Erklärungen gefragt. Er hat es erklärt, aber sie haben immer noch nicht verstanden. Dieses Ringen ist nicht in erster Linie resultatorientiert, sondern prozessorientiert.

Wie werden Sie mit Antworten umgehen, die Ihnen vielleicht nicht gefallen?

Bei einer Erneuerung der Kirche müssen sich alle bewegen. Wenn etwas geändert wird, müssen sich zuerst Personen ändern und dann muss man zusammen schauen, was man umsetzen kann. Dafür gibt es unsere diözesane Steuergruppe. Denn das bestimmt nicht einfach der Bischof oder eine einzelne kantonale Synode, sondern es sollen möglichst alle einbezogen werden. Die Anfrage geht in erster Linie an jeden und jede Einzelne selbst. Im Markusevangelium heisst es: «Kehrt um.» Das beginnt bei mir.

Wie müsste die Umfrage ausfallen, damit Sie sagen könnten: Wow, toll!

Wenn sich ganz viele und verschiedene Gruppen eingeben, das würde mich freuen.

Was wäre der schlimmste Fall?

Ich wäre enttäuscht, wenn sich niemand dafür interessieren würde. Dann müssen wir uns fragen: Was bedeutet das jetzt zum Beispiel für unsere Struktur? Für unsere Relevanz? Was müssen wir ändern?

Freuen Sie sich auf den Prozess?

Ich bin ganz begeistert davon! Mich freut es, dass diese Synode wirklich versucht, das Ganze als einen Prozess zu führen. Der Einbezug aller Leute ist der Königsweg der Kirche. Die Kirche hat nach diesem Dokument offensichtlich den Auftrag, alle Leute einzubeziehen. Ich erhoffe mir, dass dieser Prozess uns alle betreffen wird. Und ich bin überzeugt, dass wir Handlungsfelder sehen, die für unser Bistum oder möglicherweise für die Schweiz von Belang sind, die aber nicht unbedingt den römischen Prozess betreffen.

Interview: Marianne Bolt (Pfarreiblatt des Kantons Zug) und Sylvia Stam (Pfarrblatt Kanton Bern und Kantonales Pfarreiblatt Luzern)