Raphael Kühne, Präsident des Administrationsrats des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen. | © Roger Fuchs
Raphael Kühne, Präsident des Administrationsrats des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen. | © Roger Fuchs
20.09.2023 – Aktuell

«Ein Kulturwandel allein genügt nicht»

Vollversammlung der Bischöfe in St. Gallen: Administrationspräsident fordert Systemwechsel

Raphael Kühne, Präsident des Administrationsrats des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen, hat den Bischöfen ins Gewissen geredet. Es sei dringend erforderlich, dass konkrete strukturelle Reformschritte nicht nur angekündigt, sondern auch getan würden.

Wenige Tage nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie haben sich die Schweizer Bischöfe in St. Gallen zu einer ordentlichen Vollversammlung getroffen. Stärker als gewohnt standen sie dabei unter medialer Beobachtung. So machte ein Gerangel um die Zulassung der Medien zum öffentlichen Gottesdienst am zweiten Versammlungstag Schlagzeilen. «Bischöfe schotten sich ab» hiess es beispielsweise auf dem Plakat des «Blick».

«Schweiz keine Ausnahme»

Wie dem Internetportal des katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen zu entnehmen ist, blies den Bischöfen bereits am ersten Abend der dreitägigen Zusammenkunft ein rauer Wind entgegen. Raphael Kühne, als Präsident des Administrationsrates Vertreter der staatskirchenrechtlichen Seite, sprach in seinen «Worten an die SBK» Klartext. Wie die Pilotstudie zeige, stelle die Schweiz im internationalen Vergleich keine Ausnahme dar. Die systemischen Ursachen des Missbrauchs und der Umgang der Kirchenoberen mit den Taten und den Tätern seien die gleichen wie in anderen Ländern.

Was die formellen Rahmenbedingungen angeht, gibt es allerdings einen Unterschied: das duale System, welches dem pastoralen Bereich eine staatskirchenrechtliche Seite gegenüberstellt. Erstaunlich sei allerdings, sagte Kühne, dass diese Konstellation nicht zu weniger Missbrauch oder zu einem strengeren Umgang mit den Tätern geführt habe.

Gemeinsam Kontrollmechanismen schaffen

Die von den Bischöfen vorgestellten Sofortmassnahmen (Meldestelle, psychologische Test, Professionalisierung Personalwesen, keine Aktenvernichtung) seien gute Ansätze, «aber sie gehen zu wenig weit, weil sie systemintern sind», sagte Kühne. «Verknüpfen Sie diese vier Sofortmassnahmen im dualen System mit den staatskirchenrechtlichen, demokratisch organisierten und kontrollierten Strukturen und schaffen wir so gemeinsam entsprechende Kontroll- und Sicherheitsmechanismen.»

Die nationale Meldestelle müsse unabhängig und handlungsbefugt sein, und die staatskirchenrechtlichen Behörden müssten vollumfänglich, auch aktenmässig, in die Personalführung und -entscheidung eingebunden sein.

Machtstrukturen ändern

Es sei dringend erforderlich, dass jetzt sofort und kurzfristig konkrete strukturelle Reformschritte nicht nur angekündigt, sondern auch getan würden. Wichtig sei aber auch, dass grundlegende Fragen wie Pflichtzölibat und Stellung der Frauen oder die notwendigen Veränderungen der Sexualmoral angegangen würden.

Zwingend sei auch, dass die kirchliche Organisationsstruktur grundsätzlichen rechtsstaatlichen Prinzipien wie beispielsweise Gewaltenteilung genüge, betonte Kühne. Andernfalls werde der Staat diese Parallelstrukturen nicht nur in Frage stellen, sondern letztlich auch unterbinden. Kühne forderte die Bischöfe dazu auf, alles dafür zu tun, dass die Machtstrukturen in der Kirche schnellstens verändert werden. Die Bischöfe sollten alle Untersuchungen und Verfahren extern an völlig unabhängige Stellen abgeben.

Und zum Argument «Weltkirche» sagte Kühne: Es sei wenigstens anzustreben, dass Lösungen für die Schweiz oder für den deutschsprachigen Raum ermöglicht würden.

Regula Vogt-Kohler