28.06.2018 – Hintergrund

«Das ist uns religiös fremd»

Sind Jahresberichte langweilig? Die Römisch-Katholische Landeskirche des Kantons Aargau hat es geschafft, mit ihrem Jahresbericht 2017 eine spannende Diskussion auszulösen. Das 88 Seiten starke Werk liefert zwar durchaus Zahlen und Fakten. Darüber hinaus aber enthält es Beiträge zum Legislaturthema «Fremd-Sein» – und zahlreiche Schwarzweissbilder: Zwei Fotografen hatten letztes Jahr die anderssprachigen Missionen im Aargau besucht und ihre Eindrücke von «typischen Anlässen» der katholischen Migra­tionsgemeinschaften festgehalten. «An unserer Vorsynode in Aarau gab es eine grosse Diskussion», berichtete der Synodale Francis Kuhlen aus Lenzburg an der Frühjahrssynode der Landeskirche im Grossratssaal in Aarau. «Diese Bilder stellen nicht unsere Schweizer Kirche dar und erinnern uns brutal an eine andere, überlebte Welt in der Kirche. Das ist uns religiös wirklich fremd.» An der Vorsynode sei die Frage nach Sinn und Ziel der anderssprachigen Missionen aufgekommen. Der Umgang der Landeskirche mit den Anderssprachigen sei integrationshemmend und -verhindernd. «Sie passen kaum in unsere Kirche und müssen sich ja völlig isoliert fühlen.» Über dieses Thema hinaus kritisierte Kuhlen, der Jahresbericht sei schönfärberisch und enthalte kaum Aussagen zur pastoralen Situation im Aargau: «Der pastorale Alltag ist von Spannungen und Widersprüchen geprägt.» «Als Präsident der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ) sehe ich alle Jahresberichte der kantonalen Landeskirchen in der Schweiz», setzte sich Kirchenratspräsident Luc Humbel (Brugg) zur Wehr: «Wir haben den besten und den schönsten.» Die Landeskirche Aargau setze ihren Jahresbericht als Werbeinstrument gegen aussen ein und werde nicht zu einem blossen Rechenschaftsbericht zurückkehren. Zum Thema der anderssprachigen Missionen meinte Humbel: «Ein Drittel unserer Kirchenmitglieder hat einen Migrationshintergrund. Fragen Sie bei diesen nach: Die finden ihre Formen des religiösen Lebens keineswegs überlebt. Bei ihnen gibt es ein grosses Engagement.» Nach diesem Wortwechsel stimmten die 115 anwesenden Synodalen dem Jahresbericht ohne Gegenstimmen zu. Sogar einstimmig genehmigte die Frühjahrssynode unter der Leitung von Synodepräsidentin Linda Gaeta (Rheinfelden) die Jahresrechnung 2017, obwohl diese erstmals seit Jahren rote Zahlen aufweist. Mit rund 274 000 Franken fiel das Defizit allerdings tiefer aus als die budgetierten 744 000 Franken. Luc Humbel teilte mit, dass nun eine Arbeitsgruppe zur Aufgabenüberprüfung eingesetzt ist. Das Ergebnis werde sich aber noch nicht auf das Budget 2019 auswirken.

Christian von Arx