05.10.2023 – Editorial

«Das habt ihr mir getan»

Wir Katholiken können nicht wie andere mit Fingern auf die katholische Kirche zeigen. Denn diese Kirche sind auch wir.

Nach dem Bericht, der den Umgang mit sexuellen Missbräuchen in der Schweizer Kirche dokumentiert, steht wohl jedes Kirchenmitglied vor schwierigen Fragen. Was heisst das für mich? Was kann ich tun?

Wenn ich das Wort Kirche höre, dann denke ich an die vielen Menschen, die als Freiwillige oder in ihrem Beruf in der Kirche wirken. Auch ich habe ihnen vieles zu verdanken. Ich denke zum Beispiel daran, dass die Pfarreien vielen älteren Menschen, denen die Vereinsamung droht, regelmässige Kontakte ermöglichen. Ich denke an die gute Begleitung von Angehörigen nach einem Todesfall. Ich denke an meinen Kirchenchor, der nicht nur wegen seiner Mitwirkung in kirchlichen Feiern wichtig ist, sondern auch wegen seiner Proben. Und ich denke daran, dass mir die Teilnahme am Gottesdienst durch viele Jahre hindurch immer wieder das Wort Gottes zu bedenken gegeben hat. Darunter auch jenes grosse Wort von Jesus, vor dem diejenigen, denen das vermeintliche Ansehen der Kirche wichtiger war als die Einfühlung in die Opfer von Missbrauch, ihre Ohren verschlossen haben: «Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Matthäus 25,40).

Weil mir beim Wort Kirche die vielen wichtig sind, die in ihr Gutes tun, hoffe ich weiter, auch jetzt. Es wäre besser für unsere Kirche, wenn auch Frauen die Aufgaben der Priester übernehmen würden. Und es wäre besser, wenn unsere Kirche von Priestern nicht mehr verlangen würde, auf Partnerschaft und Kinder zu verzichten, oder sie sogar zu verleugnen.

Christian von Arx