Mit einem Stück eigenem Land sprengen die Musahar-Frauen in Indien die Fesseln der traditionellen Diskriminierung und gewinnen ihre Würde zurück. (Foto: Schweizerischer Katholischer Frauenbund)
Mit einem Stück eigenem Land sprengen die Musahar-Frauen in Indien die Fesseln der traditionellen Diskriminierung und gewinnen ihre Würde zurück. (Foto: Schweizerischer Katholischer Frauenbund)
09.06.2018 – Hintergrund

«Frauen entwickeln einen unglaublichen Zug»

Das Elisabethenwerk, das Hilfswerk des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds, ist 60 Jahre alt

Der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) hat an seiner Delegiertenversammlung das 60-jährige Bestehen des Elisabethenwerks gefeiert. Dass das kleine Hilfswerk ausschliesslich mit Frauen zusammenarbeitet, finden die Mitarbeiterinnen Damaris Lüthi und Elisa Moos sehr sinnvoll.

Wie ist es für Sie, für ein Frauenhilfswerk zu arbeiten?
Damaris Lüthi: Ich war zuvor für ein Hilfswerk tätig, das mit beiden Geschlechtern arbeitete. Mich überzeugt bei diesem kleinen Hilfswerk, dass man sich auf die Frauen konzentriert. Die Erfahrung zeigt, dass mit der Zeit auch die Männer mithelfen, wenn sie überzeugt sind vom Projekt.
Elisa Moos: Ich spüre immer wieder eine unglaubliche Kraft, die in den Projekten entsteht. Wenn Frauen zusammenarbeiten, entwickeln sie einen unglaublichen Zug. Dass die Männer mitmachen, sehe ich jeweils bei meinen Besuchen vor Ort. Sie sind da, man kann sie nicht einfach ausschliessen. In Afrika ergreifen sie auch oft das Wort, und zwar unterstützend.
Lüthi: Als ich mit beiden Geschlechtern arbeitete, kamen die Frauen oft nur mit Mühe zum Zug. Bei unserem Ansatz im Elisabethenwerk müssen wir mit den Frauen zusammenarbeiten, sonst dürfen wir kein Geld sprechen. Da ist klar: Die Frauen müssen profitieren können, auch wenn die Männer sich danach einzumischen versuchen.

Ermutigt dies die Frauen, vor Ort aktiv zu werden?
Moos: Auf jeden Fall. Wenn sie ernst genommen werden in ihren spezifischen Bedürfnissen und sie diese anmelden dürfen, indem sie ein Projekt eingeben, stärkt sie das von Anfang an. Teil der Projekte sind immer auch Schulungen in Leadership, in Rhetorik und anderen Bereichen. Das bringt sie weiter vorwärts. Das können wir gut beobachten.

Wie haben Sie das beobachtet?
Moos: In Bolivien habe ich eine Frau bei mehreren Besuchen erlebt. Am Anfang ergriff sie kaum das Wort, das zweite Mal nahm sie das Mikrofon und sagte ihre Meinung und ein weiteres Mal war sie bereits Präsidentin der Projektgruppe und stand ganz aufrecht da.
Lüthi: In Indien fangen wir immer mit Spar- und Kreditgruppen an. Wir arbeiten ja – auch in den anderen Ländern – mit den am meisten benachteiligten Frauen. Sie können sich vielerorts nur eine Mahlzeit pro Tag leisten. Mit ihnen zu arbeiten ist sehr schwierig, weshalb andere Hilfswerke oft besser gestellte Menschen wählen. Bei den stark Benachteiligten müssen wir dafür sorgen, dass sie ökonomisch profitieren. Wir geben aber nie Materielles, sie müssen sich dies selbst erarbeiten. Die Erfahrung zeigt, dass materielle Geschenke eine Empfängerhaltung begünstigen. Dadurch würde das Projekt nicht nachhaltig wirken. Deshalb bieten wir in Indien stattdessen Schulung an. Das braucht Zeit, deshalb dauern meine Projekte jeweils rund sechs bis sieben Jahre.

Weshalb so lange?
Lüthi: Es braucht so lange, bis die Frauen wirklich gestärkt sind. Das Projekt beginnt mit einer Spar- und Kreditgruppe. Als erstes zahlen die Frauen ihre Schulden zurück, kaufen Schuluniformen für ihre Kinder und begleichen die Gesundheitskosten. Erst wenn es ihnen besser geht, können sie kleine Geschäfte aufbauen. Sie kaufen beispielsweise gemeinsam ein Stück Land zum Bebauen, oder sie investieren einzeln in einen Früchtestand, oder in eine Ziege, deren Milch sie verkaufen können. Wir bieten parallel dazu Weiterbildungen an. So lernen die Frauen beispielsweise, Anträge für staatliche Subventionen zu stellen. Das ist in Indien ein komplizierter Vorgang und fordert natürlich die Analphabetinnen besonders heraus. Später bilden wir die Frauen auch zu Politikerinnen aus, damit sie über die regionalen Regierungen staatliche Programme reinholen können, die den Benachteiligten ihrer Dörfer zustehen. Alle diese Massnahmen stärken die Frauen natürlich sehr.

Wie wichtig ist das Elisabethenwerk für den Frauenbund – aus Ihrer Sicht?
Lüthi: Die Frauenbunds-Vertreterinnen sagen, das Elisabethenwerk sei ganz wichtig für den Verband. Ich finde es schön, dass der Verband das Anliegen hat, sich für Frauen nicht nur in der Schweiz, sondern auch in anderen Ländern einzusetzen. Das erweitert den Radius, und das finde ich gut.
Moos: Ich höre immer wieder den Satz: Der SKF ist nicht denkbar ohne das Elisabethenwerk. Das Hilfswerk ermöglicht einen Blick über den Tellerrand hinaus, eine weltweite Vernetzung, ein sich Sorgen über Entwicklungen in anderen Teilen der Welt.

Interview: Regula Pfeifer, kath.ch
(gekürzte Version)

Hilfswerk von/für Frauen

Das Hilfswerk des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds (SKF) unterstützt Frauenprojekte in Uganda, Bolivien und Indien. 2017 erhielten die 49 Projekte in den drei Ländern insgesamt rund 700 000 Franken. Das Elisabethenwerk begann mit einer Spendenaktion des SKF im Jahr 1958. Der Verband reagierte auf einen Aufruf der Vereinten Nationen an die Frauenorganisationen weltweit, zusammen den Hunger der Welt zu bekämpfen. Seinen ­Namen hat das Werk von der Heilige Elisabeth von Thüringen. Die Landgräfin initiierte im 13. Jahrhundert Hilfsaktionen für die Hungernden, Arme und Kranke.

rp, kath.ch
frauenbund.ch