25.02.2021 – Editorial

Cordon bleu

Ein paar Jahrzehnte Übung haben mich zwar nicht zur Sterne- oder Punkteköchin gemacht, aber ein paar Gerichte kriege ich ganz gut hin. Nach vielen Versuchen mit verschiedenen Varianten weiss ich, was gut funktioniert, wo ich improvisieren kann und wo ich mich strikte an Rezepte und Zubereitungstechniken halten muss. Physik und Chemie lassen sich auch mit viel kulinarischer Fantasie nicht überlisten. So hat sich in meiner Küche auch schon das eine oder andere Drama abgespielt, was dazu führte, dass ich mich an gewisse Menüs nicht mehr heranwage.

Weil ich Gerichte, bei deren Zubereitung ich schon mehrmals gescheitert bin, nur noch auswärts esse, ist es schon eine Weile her, seitdem ich das letzte Cordon bleu genossen habe. Und im Moment sieht es ganz so aus, dass es noch ein Weilchen länger dauern könnte, bis wir uns wieder mal im Restaurant an den Tisch setzen können.

Wenn es etwas aus der Krise, die uns nun seit einem Jahr im Griff hat, zu lernen gibt, dann dies: Ja, Pandemien gibt es auch im 21. Jahrhundert, und irgendwie müssen wir alle damit klarkommen, jeder und jede für sich, aber noch mehr als Gemeinschaft. Es ist nicht die erste grosse Krise, mit der es die Menschheit zu tun hat, und möglicherweise gäbe es uns gar nicht oder schon längst nicht mehr, wenn wir uns nicht als ausgesprochen anpassungsfähige Spezies mit einer ausserordentlich hohen Kooperationskompetenz erwiesen hätten.

Die Fähigkeit, mit Veränderungen umzugehen und auch herausfordernde Umstellungen zu meistern, ist Teil unseres Menschseins, und schwierige Situationen sind ein normaler Teil unseres Lebens. Daran sollten wir uns erinnern, wenn wir uns schwer damit tun, dass ein winziges Virus den Takt vorgibt und nicht unser Wunsch nach dem Gewohnten. Ja, wir können Krise, und nein, Jammern und Hadern bringen uns nicht weiter.

Gefragt ist Zuversicht, aber selbstverständlich nicht im Sinne eines naiven Optimismus abseits jeder Realität. Gefragt sind Geduld, Flexibilität und die Bereitschaft, neue Wege zu beschreiten. Als Individuen sind wir in unterschiedlichem Mass mit Krisenresistenz ausgestattet. Aber wie bei anderen Begabungen gilt: Auch die weniger Talentierten können es durch Lernen und Trainieren zu etwas bringen.

Vielleicht nehme ich doch nochmals einen Anlauf für ein Cordon bleu aus der eigenen Pfanne.

Regula Vogt-Kohler