Von 2012 bis Juli 2019 war 
Gabriele Tietze Roos Regionalverantwortliche im Bischofsvikariat in Liestal – seit ihrer Pensionierung kommt sie nun als «Troubleshooterin» in Baselbieter Pfarreien zum Einsatz. | © Christian von Arx
Von 2012 bis Juli 2019 war Gabriele Tietze Roos Regionalverantwortliche im Bischofsvikariat in Liestal – seit ihrer Pensionierung kommt sie nun als «Troubleshooterin» in Baselbieter Pfarreien zum Einsatz. | © Christian von Arx
31.05.2019 – Aktuell

«Bei der Basis ist das Bewusstsein gewachsen»

Gabriele Tietze Roos blickt auf Höhen und Tiefen in vier Jahrzehnten erlebter Kirchengeschichte zurück

Ende Juli geht Gabriele Tietze Roos, Regionalverantwortliche im Bischofsvikariat St. Urs in Liestal, in Pension. Seit 30 Jahren arbeitet sie im Kanton Basel-Landschaft für die Kirche.

 

Sie begannen 1975 als Theologiestudentin in Trier, heute gehen Sie als Mitglied der Bistumsleitung im Bistum Basel. Wie hat sich die Kirche verändert?
Gabriele Tietze Roos: In meiner Studienzeit herrschte Aufbruchstimmung nach dem 2. Vatikanischen Konzil, und in den 1980er-Jahren kam für mich die Feministische Theologie dazu. 1992 war ich in der Vorbereitungsgruppe für das Frauenkirchenfest in Basel – das hat wirklich Spass gemacht. Die «Maulkorb-Botschaft» von Papst Johannes Paul II. 1994 hat vieles gebremst. Heute kommen in Deutschland einige Bischöfe aus der Deckung.

Wo sehen Sie Stärken der katholischen Kirche?
Die Stärke ist die Botschaft Jesu – die Kirche ist das Gefäss dafür. Gute Arbeit macht sie in der Diakonie – oft sagen mir Menschen «darum bleibe ich noch in der Kirche». Auch die Vielfalt ist eine Stärke. Die grossen Unterschiede zwischen den Ländern weltweit können allerdings zu einer Blockade von Reformbemühungen führen.

Und die Schwächen?
Die Ortskirchen haben ihre Möglichkeiten zu wenig genutzt, das hatte einen Prozess der inneren Emigration zur Folge. Ein Schub von Frauen und auch Männern hat sich verabschiedet, viele haben die Hoffnung verloren. In den Pfarreien ist zu wenig Mut da, sich von alten Sachen zu trennen, zugunsten von anderen, die es jetzt braucht. Wir haben auch nicht überall das nötige Personal.

Was hat sich für die Stellung der Frau verändert?
Hier im Bistum Basel können Frauen und nicht ordinierte Männer die Gemeindeleitung übernehmen und haben in dieser Funktion auch die ausserordentliche Taufvollmacht. Das ist ziemlich einzigartig. In den Fachzeitschriften erscheinen heute viele Artikel von Professorinnen. Bei der Basis sind die Akzeptanz und das Bewusstsein für Theologinnen sehr gewachsen.

Und bei den Entscheidungsträgern?
Nach und nach auch. Rom studiert noch immer das Frauendiakonat. Im Klerus gibt es grosse individuelle Unterschiede.

Wie steht es beim Bischof von Basel?
Ich erlebe Bischof Felix als sehr offen. Bei meinem Start als Regionalverantwortliche habe ich ihm gesagt, dass ich auch in der künftigen Rolle für das Frauenpriestertum und gegen den Pflichtzölibat Stellung beziehen möchte. Das hat er akzeptiert. Ich bin überzeugt, dass Bischof Felix das wirklich will. In der Chrisammesse sagte er: «Maria (Magdalena) ist die erste Zeugin und Verkündigerin der Auferstehung. Und sie schafft zusammen mit den anderen Frauen ein Kontinuum. Es sind die Frauen – und nur die Frauen – die Kontinuität zwischen Leben, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi garantieren. Nur sie waren dabei! Während andere – vor allem Männer – sich feige aus dem Staub machten.»

Wo steht die Pastoralraumbildung?
In Baselland fehlt nur der Pastoralraum Am Blauen. Die Dokumente sind bereit, er kann errichtet werden, sobald die Leitung vorhanden ist. Im Raum Rheinfelden ist der Pastoralraum zurzeit nicht gewünscht. Für Dorneck und Thierstein ist das Bischofsvikariat St. Verena zuständig.

Sie selbst wollen in der Kirche engagiert bleiben – wie?
Ich kann mir Aushilfen bei Vakanzen oder ein Teilpensum vorstellen, ebenso ein Engagement im Freiwilligenbereich. Das ist noch offen.

Interview: Christian von Arx