Südlicher Eingang zum Benkenspitz: Biel-Benken kam 1526 zur Stadt Basel und ist seit 1833 Teil des Kantons Basel-Landschaft. | © CdaMVvWgS/wikimedia
Südlicher Eingang zum Benkenspitz: Biel-Benken kam 1526 zur Stadt Basel und ist seit 1833 Teil des Kantons Basel-Landschaft. | © CdaMVvWgS/wikimedia
04.08.2020 – Aktuell

Die Vermessung Basels – eine Stadt mit Grenzen

Vor 400 Jahren erhielt der Maler Hans Bock den Auftrag, die Grenzen des Standes Basel aufzunehmen

Ein Grenzstein mitten auf einer Spielwiese in der Badi, ein Landesflughafen im Ausland: Kantons- und Landesgrenzen sind in der Region Basel allgegenwärtig. Was auf der Landkarte wie ein verwirrender Flickenteppich aussieht, hat nicht immer Logik, aber viele Geschichten.

Bevor 1994 das bis dahin bernische Laufental zum Kanton Basel-Landschaft kam, war die Situation im Leimental noch etwas bunter: Da grenzten, scheinbar wild durcheinander, Gebiete der Kantone Bern, Solothurn und Baselland sowie Frankreichs aneinander. Mit Bern ist ein Player weggefallen, doch in indirekter Weise ist Bern immer noch präsent. Weil die Berner den solothurnischen Ambitionen im Mittelland Grenzen setzten, hielten die Solothurner im und nördlich des Juras nach Möglichkeiten, ihr Gebiet zu erweitern, Ausschau. Und wenn sich eine Gelegenheit ergab, schlugen sie zu. Zuerst setzten sie sich im Dorneck fest, dann im Thierstein.

Auf der Suche nach Hinterland

Solothurn war nicht allein auf Erweiterungstour, die weniger Eroberung als Einkauf war. Auch die Stadt Basel versuchte, ihr Territorium zu vergrössern und sich ein Hinterland zu verschaffen. Unter anderem übernahmen die Basler 1526 Biel-Benken, das seit dem 13. Jahrhundert im Besitz des Rittergeschlechts der Schaler gewesen war. Die Schaler steckten nun aber, wie viele andere Adelige auch, in finanziellen Schwierigkeiten.

Biel-Benken kam durch diesen Kauf zur Eidgenossenschaft, der Basel seit 1501 angehörte. Bis Biel-Benken mit der Schweiz auch territorial verbunden sein würde, sollte es noch lange dauern. Zwischen den Exklaven der Basler und der Solothurner lag das dem Heiligen Römischen Reich angehörende Fürstbistum Basel, der weltliche Herrschaftsbereich des Basler Bischofs.

Die erste Vermessung Basels

Teil des Territoriums von Biel-Benken, das die Basler übernommen hatten, war auch ein ins damals habsburgische Elsass hineinragender schmaler Streifen Land, der im sogenannten Benkenspitz endet. Im mündlichen Sprachgebrauch, in der Literatur und in kartografischen Darstellungen sei mit «Bänggespitz» spätestens seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die ganze rund 700 Meter lange, 65 bis 240 Meter breite Waldzunge gemeint, heisst es im Baselbieter Orts- und Flurnamenbuch.

Knapp ein Jahrhundert nach dem Kauf findet man diesen eigentümlichen Grenzverlauf auf einer Karte, die auf der ersten Vermessung Basels basiert. Am 14. Juli 1620 hatte der Maler Hans Bock der Ältere vom Kleinen Rat den Auftrag erhalten, die Hoheitsgrenzen des Standes Basel genau aufzunehmen. Der schon 70-Jährige, der sich auch als Geometer einen Namen gemacht hatte, ging mit zweien seiner Söhne an die Arbeit, und 1623 lag der Plan vor.

Er erklärt nicht, wie es dazu kam, dass ein Stück Biel-Benken keilförmig ins Elsass hineinreichte. Die wahrscheinlichste Variante ist wohl die, dass es sich um eine schon sehr früh in den Besitz der Herrschaft von Biel-Benken gelangte Waldparzelle handelt. In einem Eintrag auf Wikipedia ist die Rede davon, dass der Benkenspitz ein Jagdreservat der Schaler gewesen sein soll. Als Beleg dafür werden Jagdszenen auf dem Plan von Hans Bock genannt. Leider beruht diese Annahme auf einem falschen Kartenausschnitt: Dieser zeigt nämlich nicht den Benkenspitz, sondern die Eiserne Hand in Riehen. Zudem sieht die Darstellung weniger nach Jagd als nach Weidewirtschaft aus. Bis ins 19. Jahrhundert war es eine weit verbreitete Praxis, Hausschweine in die Wälder zu treiben, wo sie sich an Eicheln und anderen Baumfrüchten satt fressen konnten.

Französisches Intermezzo

Als Bocks Plan vorlag, hatte der europäische Konflikt, der 30 Jahre dauern sollte, bereits begonnen. In den 1630er-Jahren erreichte das kriegerische Geschehen auch die heutige Nordwestschweiz. Schwedische und kaiserliche Truppen setzten sich in der Region fest und terrorisierten die Bevölkerung. Im Gegensatz zu anderen Dörfern kam Biel-Benken einigermassen glimpflich davon.

Grenzstein 118 beim Benkenspitz: Der Stein, der die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich markiert, stammt aus dem Jahr 1745. | © Regula Vogt-Kohler

Der Ausbruch der Französischen Revolution 1789 hatte zunächst keine Folgen. Dies änderte sich, als Frankreich das ehemalige Fürstbistum und damit auch das dem Bischof gehörende Birseck an sich riss. Bis 1815 lag Biel-Benken nun inmitten von französischem Gebiet!

1798 besetzten die Franzosen die Schweiz, und vorübergehend sah es gar so aus, als ob Biel-Benken französisch werden könnte. Davon ging jedenfalls die Allgemeine Zeitung München aus, die im April 1798 vermeldete, dass nun alle Enklaven, die bisher einzelnen Schweizer Kantonen gehörten, nach und nach französisch würden. Neben Biel-Benken wurde auch Dornach genannt. Joseph Mengaud, der Geschäftsträger der französischen Republik in der Schweiz, wandte sich an Basel, um über einen Abtausch von Biel-Benken zu verhandeln.

Bern im Laufental und Kantonstrennung

Aus dem Projekt wurde dann aber nichts, und nach der Niederlage Napoleons machte der Wiener Kongress 1815 die Sache klar und definitiv. Biel-Benken blieb bei der Schweiz als Gemeinde des um einen Teil des früheren Fürstbistums vergrösserten Kanton Basel. Neu tauchten in der Region jetzt aber die Berner auf: Sie erhielten den Jura mit dem Laufental (als Entschädigung für die Verluste in der Waadt und im Aargau).

Die Basler konnten sich nur kurze Zeit über die Erweiterung ihres Kantons freuen. 1833 kam es zur Trennung von Basel-Stadt und Baselland, und damit hatte die Stadt den allergrössten Teil ihres Hinterlandes wieder verloren. Das Korsett der neuen Grenze zwischen den beiden Halbkantonen erwies sich vor allem bei Projekten mit grossem Flächenbedarf als hinderlich. Der Platz für Sport- und Freizeitanlagen war auf städtischem Boden beschränkt, und so kam es, dass die Besucherinnen und Besucher des 1962 eröffneten Gartenbads Bachgraben schon kurz nach dem Eingang jeweils die Kantonsgrenze überqueren.

Infos und Tipps

• Die Schaler

Die Schaler waren als Dienstleute des Bischofs gesellschaftlich aufgestiegen. Familien, die dem Bischofsstuhl seit Generationen gedient hatten, bekamen ab 1227 das Privileg, Lehen zu empfangen und somit in den Ritterstand aufzusteigen. Ihren Namen leiteten die Schaler vom Haus zur Leiteren (scalarii) ab. Die stilisierte Leiter im Gemeindewappen des heutigen Biel-Benken erinnert an die einstige Besitzerfamilie. Hervorragendster Vertreter war der 1308 verstorbene Peter, der als Bürgermeister und Schultheiss amtierte und die Schalerkapelle am Basler Münster stiftete.

• Hans Bock: Künstler und Vermesser

Der aus dem Elsass stammende Hans Bock der Ältere (um 1550–1624) gilt als bedeutendster Maler von Basel und Umgebung nach den Holbeins. Zu seinen Werken gehört ein 18-teiliger Marienzyklus, den Bock und seine Söhne 1600 für die Abtei St. Blasien im Schwarzwald malten. Heute befinden sich die Marienbilder im Kloster Einsiedeln. Da sie in der Klausur hängen, sind sie jedoch nicht öffentlich zugänglich. Im Basler Kunstmuseum findet man mehrere Bilder von Bock, so die 1586 entstandenen Allegorien des Tages und der Nacht. Bock war aber nicht nur als Künstler herausragend, sondern verdankte seine Stellung auch seinen Fähigkeiten als Geometer. 1588 vermass er den Grundriss von Basel, 1623 legte er einen detaillierten Plan des Standes Basel vor.

• Vo Schönebuech bis Biel-Bängge

Das Dorf Schönenbuch ist mit der BVB-Buslinie 33 direkt mit der Stadt Basel verbunden. Von der Endstation in Schönenbuch Dorf gelangt man via Hinterdorfstrasse und Mitzlisgrabenweg zur Landesgrenze. Hier folgt man nun dem entlang der Grenze verlaufenden Strässlein (zuerst Im Tiergärtlein, dann Leimenweg), bis sich dieses nach dem Bauernhof Länge gabelt. Hier geht es rechts in südwestlicher Richtung weiter bis Punkt 409 an der Strasse zwischen Neuwiller und Hagenthal. Nun folgt man dieser Strasse bis zum Weg, der links in den Wald abzweigt. Schon bald erreicht man nun den Grenzstein 118 im Benkenspitz. Entlang der westlichen Seite des Geländekeils verläuft ein durchgehender Weg hinunter zum jungen Neuwillerbach. Hier geht es in südöstlicher Richtung weiter bis Breitenacker (Punkt 395) und dann ostwärts bis zur Strasse, die hinunter in den Dorfteil Benken führt. Zurück in die Stadt gelangt man mit der Buslinie 60 und Tramlinie 10.

Landeskarte Arlesheim 1:25 000

• Die engste Stelle der Schweiz

Der südliche Eingang zum Benkenspitz, im Waldstück «Zwischen den Holzmatten», ist mit etwa 62 Metern die engste Stelle der Schweiz. Zwischen den beiden Grenzsteinen 126 und 109 liegen nur 69 Meter. Etwas breiter ist der Eingang zur Eisernen Hand, einem Waldstück, das wie ein Finger oberhalb Riehens in deutsches Gebiet bei Inzlingen hineinreicht. Die Bezeichnung «Eiserne Hand» könnte auf einen Wegweiser mit einer eisernen Hand zurückgehen oder auf ein altes Herrschaftszeichen, das den Handschuh des Landesherrn abbildete, oder auch auf den Abbau von Eisenerz.

Regula Vogt-Kohler

 

Südlicher Eingang zum Benkenspitz: Folgt man diesem Weg, gelangt man zum Grenzstein 126. | © Regula Vogt-Kohler.
Zwischen Grenzstein 126 und Grenzstein 109 (am Rande des Waldes links) liegen nur 69 Meter. | © Regula Vogt-Kohler
Beim Grenzstein 109 führt ein Steg über den Bach. | © Regula Vogt-Kohler
Benkenspitz mit Grenzstein 126: Hier kommen zwei Pfade zusammen. | © Regula Vogt-Kohler
An der Strasse zwischen Neuwiller und Hagenthal mit Blick in Richtung Schönenbucher Wasserturm. | © Regula Vogt-Kohler
Zwischen Benkenspitz und Schönenbuch ist man auf französischem Gebiet unterwegs. | © Regula Vogt-Kohler