12.01.2023 – Editorial

Amt und Mensch

Wer ein Amt bekleidet, tut das auch im wortwörtlichen Sinn. In Erinnerung bleiben Magistraten und Magistratinnen nicht nur durch die inhaltliche Ausübung ihrer Ämter, sondern auch durch ihr öffentliches Auftreten, durch die Art, wie sie ihre Positionen und Rollen äusserlich darstellen. Bevor ein einziges Wort gesprochen ist, sorgt die optische Erscheinung als erster Eindruck für Bilder, die haften bleiben.

Der verstorbene emeritierte Papst Benedikt XVI. hat seine Ära nicht nur durch seine Entscheidungen, Publikationen und Äusserungen geprägt. Der frühere Theologieprofessor und Chef der Glaubenskongregation hat seine Interpretation des höchsten Amtes der katholischen Kirche auch durch die Wahl seiner Bekleidung sichtbar gemacht.

Die Rückkehr zu Pracht und Opulenz, die auch Accessoires wie Schuhe und Kopfbedeckungen umfasste, stand in auffälligem Gegensatz zur professoralen Distanziertheit, die Benedikt umgab, später dann auch zur zunehmenden Gebrechlichkeit. Gab es in den ersten Jahren triumphale Momente, in denen Benedikt seine prachtvollen Kleider ausfüllte, zeigen Aufnahmen aus der späteren Zeit einen Menschen, der unter der Last seines Amtes beinahe zusammenbricht.

Benedikts Rücktritt vor knapp zehn Jahren hat das Papsttum ein Stück weit vermenschlicht. Er selbst wurde jedoch nicht als Mensch greif- und begreifbarer. Durch sein Festhalten an päpstlichem Weiss verblieb er auf seine Weise im Amt, bis zu seinem Tod.

Regula Vogt-Kohler