Drei junge Tontechniker/innen lösen während eines Kurses eine praktische Aufgabe im Bandraum des Kirchgemeindehauses.| © Gerry Amstutz
Drei junge Tontechniker/innen lösen während eines Kurses eine praktische Aufgabe im Bandraum des Kirchgemeindehauses.| © Gerry Amstutz
18.04.2024 – Hintergrund

Einen Beitrag zum Gemeindeleben leisten

Jungunternehmer geben Tontechnik-Workshops für Jugendliche

Menschen, die sich mit ihren Talenten und Stärken einbringen – davon leben unsere Pfarreien. Simon Fricker und Sebastian Kalberer haben selbst einmal als Verantwortliche für die Tontechnik in ihren Gemeinden angefangen und wollen ihr Know-how nun an kirchlich engagierte Jugendliche weitergeben.

Simon Fricker steht vor der grossen Leinwand, die vom Lettner der Aarauer Stadtkirche herunterhängt. Er referiert zu seinem Lieblingsthema «Tontechnik». Dass der 23-jährige Jungunternehmer den Kurs zum ersten Mal leitet, denkt wohl niemand im Publikum. Er und sein Compagnon Sebastian Kalberer, mit dem er vor zwei Jahren eine eigene Firma für Veranstaltungstechnik und Eventorganisation gegründet hat, lassen sich nicht einschüchtern vom Hall in der Kirche, denn in kirchlichen Räumen hat ihre Tontechnikerkarriere begonnen. Im vierzehnköpfigen Publikum sitzen vor allem Jugendliche, die – wie Simon Fricker und Sebastian Kalberer früher – in ihren Kirchgemeinden für die Technik verantwortlich sind. Es sind aber auch Behördenmitglieder und Jugendarbeitende dabei. Das gebe den Jugendlichen Rückenwind, denn für die Umsetzung in den Kirchgemeinden braucht es die Unterstützung der Erwachsenen. Andreas Benz von der Fachstelle Pädagogisches Handeln glaubt, dass jeder Mensch das Bedürfnis hat, in seinem Umfeld einen Beitrag zu leisten. Dafür müssten in der Kirche Möglichkeiten geschaffen werden. Die Mitarbeit der Jugendlichen in der Technik sei so eine Möglichkeit.

Vorbereitung auf eine anspruchsvolle Aufgabe

An diesem ersten Samstag im neuen Jahr sitzen die Kursteilnehmenden an zwei Tischreihen in der Kirche. Es ist früh am Morgen und es ist kalt. Aber die Jugendlichen lassen sich davon nicht beirren, beantworten die Fragen und machen fleissig Notizen in ihre Kursunterlagen. Sina Moser (19), Mattia Hilfiker (13) und Nicolas Stöckli (18) gehören zum Technikteam der reformierten Kirche in Schöftland und sind für die Technik im monatlichen Jugendgottesdienst verantwortlich. Darin tritt die Jugendband auf und es gibt Theater und Referate – alles mit Mikrofonen verstärkt. Heute lernen die Jugendlichen, welche Mikrofone sich wofür eignen und wie jedes einzelne eingemessen werden muss. Die hohen und tiefen Frequenzen dürfen weder gläsern tönen noch wummern. «Das braucht Zeit und vor allem Geduld von den Interpreten auf der Bühne», sagt Simon Fricker. «Je nach Raumakustik und Grösse des Publikums unterscheiden sich die Einstellungen», ergänzt Sebastian Kalberer. Tontechnik in der Kirche sei mithin etwas vom Anspruchsvollsten, das Weihnachtsspiel die Meisterprüfung. «Einfach machen», lautet das Rezept der beiden Autodidakten. Im Internet seien ausserdem Tausende Anleitungsvideos zur Tontechnik zu finden, die einem weiterhälfen. In vielen Kirchgemeinden hätten Jugendarbeitende eine Tontechnikausrüstung angeschafft. «Das sind Schatzkammern», sagt Simon Fricker.

Individuelle Wege zur kirchlichen Tontechnik

Mattia Hilfiker ist seit vergangenem Jahr Mitglied des Technikteams in der Kirchgemeinde Schöftland. Dass er seine Faszination für die Technik auch in der Kirche ausleben kann, gefällt ihm sehr. Sina Moser arbeitet als Pharmaassistentin. Seit zwei Jahren geht sie in Schöftland in die Kirche, weil es dort Jugendliche in ihrem Alter gibt. Im christlichen Adonia-Ferienlager, in dem Kinder und Jugendliche ein Musical einstudieren und gemeinsam auf Konzerttournee gehen, hat sie in der Technik mitgeholfen. Das hat ihr so gut gefallen, dass sie nicht bis zum nächsten Ferienlager warten wollte, bis sie wieder als Technikerin zum Einsatz kommen würde. Darum hat sie sich kurzerhand dem Technikteam in Schöftland angeschlossen. «Meine erste Priorität für mein Engagement ist, mehr über Gott zu lernen», sagt Sina Moser, aber das Zusammensein mit den anderen Jugendlichen sei ihr auch sehr wichtig. Für Nicolas Stöckli steht das Zusammensein mit seinen Kolleginnen und Kollegen klar im Zentrum. Erst in zweiter Linie nennt er religiöse Gründe für seinen Einsatz im Technikteam der Kirche Schöftland. Er ist dort schon sechs Jahre dabei. Rekrutiert hat ihn der kirchliche Jugendarbeiter, bei dem er in der Oberstufe auch den Religionsunterricht besucht hat. «Der Lehrer war cool und ich schnell zu begeistern», sagt Nicolas Stöckli. Durch seine Ausbildung als Elektroniker kann er die Fragen der Kursleiter zu elektrischen Widerständen als Einziger beantworten. Als mehrfaches Bandmitglied hat er sich auch als Pianist mit der Technik seines E-Pianos auseinandersetzen müssen.

Persönliches Engagement gegen Kirchenschwund

Unterdessen lösen die drei Tontechniker/innen aus Schöftland eine praktische Aufgabe im Bandraum des Kirchgemeindehauses. Reto Bianchi, der als Sozialdiakon in Aarau die kirchliche Jugendarbeit verantwortet, leitet den Praxisblock. Er hat den Kurs initiiert und wollte damit seinen Jugendlichen, die sich bereits in der Technik engagieren, Wertschätzung entgegenbringen. «Ich möchte den jungen Menschen die Möglichkeit bieten, sich in der Kirche mit ihren Gaben und Fähigkeiten einzubringen», sagt der Sozialdiakon, «und mit ihnen den Weg gehen zu einer Beteiligungskirche.» Beteiligen will Reto Bianchi die Jugendlichen auch spirituell. Im neuen Gottesdienstformat Evensong sind sie neben der Technik auch für Gebete und die Moderation verantwortlich. Mattia, Nicolas und Sina haben zusammen das E-Piano, die Mikrofone und das Schlagzeug verkabelt und an den Verstärker angeschlossen. Ein Mikrofon bleibt stumm, aber dafür können die Jugendlichen nichts. Reto Bianchi findet schliesslich den Fehler: ein defektes Kabel. Obwohl Simon Fricker und Sebastian Kalberer längst auch ausserhalb der Kirche in der Veranstaltungstechnik engagiert sind, bleibt für sie die Kirche ein wichtiges Betätigungsfeld. «Es ist uns eine Herzensangelegenheit, dass wir der Kirche etwas zurückgeben können», sagt Sebastian Kalberer. Ausserdem ist für die junge Firma die Tontechnik in den Gottesdiensten eine Marktnische, die sie aktiv bewirtschaften. Ihre Hauptsaison ist die Weihnachtszeit mit den vielen Weihnachtsspielen und -musicals. Aber auch an den Feiertagen, an denen die Gottesdienste aufwendiger gestaltet werden, oder an Konfirmationen helfen die Eventtechniker aus. Was sie am liebsten machen, sei für viele einfach nur eine grosse Belastung, weil sie sich mit der Technik nicht auskennten. Wenn Simon Fricker an Kirchenschwund denkt, dann kommt ihm als mögliche Lösung das Investieren in Musik und Technik in den Sinn. Nicht zuletzt, weil damit Jugendliche zum Mitmachen inspiriert und in der Kirche gehalten werden könnten. Sie beide seien das beste Beispiel dafür. Simon Fricker und Sebastian Kalberer haben ihre Chance in der Kirche gepackt. In ihrem Kurs wollen sie die Jugendlichen ermutigen, ihre Chance ebenfalls zu ergreifen.

Eva Meienberg