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04.04.2024 – Aktuell

Der Mensch als Teil der zu bewahrenden Schöpfung

«kug», das ist die Abkürzung für die Katholische Universitätsgemeinde in Basel. Mit verschiedensten Veranstaltungen aus den Bereichen Umwelt und Ethik, Kunst und Glauben, Geselliges und Soziales sowie Spiritualität und Gottesdienste bietet sie ein breites Angebot für Studierende, junge Erwachsene und alle anderen Interessierten. Dieses Frühjahr finden zwei spannende Events statt.

Klar, die kug ist für die Studierenden der Universität Basel und der Fachhochschule Nordwestschweiz da. Aber auch anderen jungen Menschen, die auf der Suche nach einem Ort sind, an dem sie sich mit ihrem Glauben aufgehoben fühlen, stehen die Türen offen. Die kug «bietet spirituelle Anlässe an und beschäftigt sich mit drängenden gesellschaftlichen Fragen, wie der Bewahrung der Schöpfung, der sozialen Gerechtigkeit und der Ethik.» (Zitat Website)

Mit der Gemeinschaft christlichen Lebens» hat sich ausserdem eine Gruppe für Alumni und andere ehemalige Studierende ab 35 Jahren gegründet.

 

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Veranstaltungstipp: Vortrag «Gemeinsam im Glauben unterwegs: Kirche der Zukunft?»

Samstag, 4. Mai, ab 10.30 Uhr, Herbergsgasse 7, Basel, Vortrag Sr. Nathalie auf Französisch, mit Übersetzung. Anmeldung ist erforderlich bis 24. April unter: kug@unibas.ch

Wohin steuert die katholische Kirche in den nächsten Jahren? Schwester Nathalie Becquart erscheint auf der Liste der 50 einflussreichsten Frauen des US-Wirtschaftsmagazins Forbes. Als Sekretärin und Frau im Vatikan gewährt sie uns einen exklusiven Einblicken den «weltweiten synodalen Prozess» . Sie beschäftigt sich auch mit der Frage, wie die Kirche erneuert werden kann und soll.

 

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Veranstaltungstipp: Buchvernissage «Wasser fällt wie Staub – Lyrische Anstösse zur Bewahrung der Schöpfung

Mittwoch, 24. April, 19 Uhr, Herbergsgasse 7, Basel

Eine Frage an den Autor Pater Andreas Schalbetter SJ

Das Thema «Klimawandel» ist momentan allgegenwärtig. Manchmal erlangt man das Gefühl, bei den Menschen stelle sich eine Art «Übersättigung» ein. Welchen neuen Blickwinkel bringt Ihr Buch in die Diskussion?

Andreas Schalbetter: Ich beschränke mich nicht allein auf den Klimawandel. Um ihn geht es, wenn man so will, «nur» im letzten Teil des Buches. Zuvor sind bereits die Biodiversität, die Vielfalt der Schöpfung und die Rolle des Menschen innerhalb der Schöpfung Thema. Dabei rufe ich den Lesern ins Gedächtnis, dass sie nicht nur die Krone der Schöpfung, sondern auch ein Teil dieser Schöpfung sind. Wir als Menschen sind Teil von einem grösseren Ganzen. Ich verknüpfe den Klimawandel auch mit dem zwischenmenschlichen Klima, mit der inneren Ökologie. Es geht also ebenfalls um soziale Gerechtigkeit. Es ist sehr wichtig, zu versuchen, bei den Themen Klimawandel, soziale Gerechtigkeit und Biodiversität eine Zusammenschau zu finden, denn dies alles hängt miteinander zusammen. Die Enzyklika «Laudato si’» von Papst Franziskus hat mich inspiriert. Um es mit den Worten von Franziskus zu sagen: Wir müssen auf den «Schrei der Armen und den Schrei der Erde» hören.

Besonders ist auch die Methode, wie ich das Thema angehe. In jedem Kapitel gibt es jeweils eine wissenschaftlich fundierte, kurze Einleitung, anschliessend folgen etwa je 15 Gedichte. Die Poesie ist ein anderer Zugang zum Thema. Sie spricht das Herz an. Das, was wissenschaftlich belegt ist, kann uns noch tiefer, im Inneren berühren.

Leonie Wollensack

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Interview im Walliser Bote, geführt von Nathalie Benelli

 

Sie veröffentlichten vor Kurzem einen Gedichtband mit dem Titel «Wasser fällt wie Staub». Es sind lyrische Anstösse zur Bewahrung der Schöpfung. Warum schreiben Sie dazu Gedichte und nicht Gebete?
Mein erstes Buch «Auf der Spurensuche des Glücks» setzt sichebenso aus Gedichten mit Einleitungen zusammen. Das ist ein Stil, der in den letzten Jahren gewachsen ist und den ich vorerst beibehalten will. Dieser zweite Gedichtband endet mit einem Gebet von Papst Franziskus. Und meine Gedichte sind gelegentlich von den Psalmen inspiriert, die Gebete im lyrischen Stil sind.

Was unterscheidet die Kraft von Gedichten von jener von Gebeten?
Christliche Gebete richten sich an Gott, an Jesus Christus, an den Hl. Geist. Gedichte sind freier und adressieren sich auch an Leserinnen und Leser, die vielleicht mit einem Gott wenig anfangen können. Ich versuche auch Menschen zu erreichen, die am Rande oder ausserhalb der Kirche sind. Dazu sind Gedichte geeigneter als Gebete. Und ich bleibe oft bewusst in der Schwebe: Spreche ich von der Beziehung des Menschen zu Gott oder von rein zwischenmenschlichen Beziehungen?

In Ihrem Gedichtband thematisieren Sie unser Verhältnis zur Schöpfung. Ein Thema, mit dem sich schon Franz von Assisi beschäftigt hat. Verfolgen Sie einen anderen Ansatz als Franz von Assisi?
Franz von Assisi hat den Sonnengesang gegen Ende seines Lebens geschrieben, als er blind war. Mit dem inneren Auge blieb er doch sehend bis zum Ende seines Lebens. Ja, ich fühle mich mit Franz von Assisi und einer Hildegard von Bingen verbunden: Diese gläubige und gebildete Frau hatte einen kosmischen Blick auf die Schöpfung und sah diese von Gottes Liebe umfangen. Auch für uns als Jesuiten weltweit ist die Sorge für das gemeinsame Haus ein grosses Anliegen und eine wichtige Priorität: Es geht um einen schlichten Lebensstil und um einen sozial-ökologischen Wandel – motiviert aus unserem christlichen Glauben.

Im Gedichtband ist nachzulesen, dass Sie vom Schreiben von Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si’ inspiriert wurden. Was ist die Kernaussage des päpstlichen Schreibens?
Papst Franziskus verfasste diese Enzyklika zusammen mit Naturphilosophen, mit Wissenschaftlern. Er veröffentlichte sie 2015 einige Monate vor der Klimakonferenz in Paris, was als Steilpass gedacht war. Inhaltlich geht es darin um die Verbindung um die Sorge für die Umwelt, die die Ärmsten der Erde am meisten belastet: Etwa sind Fischer auf sauberes Wasser angewiesen oder Menschen verlieren ihre Heimat, wenn deren Inseln unterzugehen drohen. Es handelt sich also um eine Sozial- und Umweltenzyklika, die auf der Schöpfungstheologie aufbaut.

Die katholische Kirche ist traditionell nicht aufgefallen, besonders wissenschaftsfreundlich zu sein. Sie hingegen arbeiteten für den Gedichtband mit einer Biologin und einem Klimaphysiker zusammen. Was hat sich da verändert?
Sie denken vielleicht an Galileo Galilei, der die Erkenntnisse von Kopernikus bestätigt sah. Leider hat die katholische Kirche darauf nicht klug reagiert. Im 17. Jahrhundert gibt es aber auch positive Beispiele, etwa der Jesuit Matteo Ricci, der in China als Missionar tätig war. Er hatte aus Respekt vor der chinesischen Kultur deren Sprache gelernt. Zugleich war er Mathematiker und setzte sich mit astronomischen und geografischen Fragen auseinander. Deshalb wurde er vom damaligen Kaiser Chinas respektiert.

Gibt es noch weitere Beispiele?
Ja, der Jesuit Teilhard de Chardin. Er war Paläontologe und Priester und lebte im 20. Jahrhundert. Als Pionier schlug er ebenfalls eine Brücke zwischen der Natur, der Wissenschaft und dem christlichen Glauben. Die Philosophie ist Teil der Geisteswissenschaft und gehört zur Theologie. Als Theologen sind wir vielleicht eher Generalisten und können so Brücken schlagen zwischen der Not der Menschen, den grossen Herausforderungen unserer Zeit und der Naturwissenschaft. Um die Herausforderungen zu meistern, benötigen wir ein Zusammenspiel zwischen der Naturwissenschaft und der Geisteswissenschaft.

Das Gedicht «Mit Kraft bekleidet » beginnt so: «Aus Lehm töpferst/ du Schöpfer/ Erdlinge/ nach deinem Bilde …» Das klingt dann aber doch nicht sehr wissenschaftlich …
Das Bild von Gott als Schöpfer steht nicht im Widerspruch zur Naturwissenschaft, sondern beschreibt einen anderen Zugang. In diesem Gedicht geht es mir darum, dass der Mensch sich in seinem Stolz von Gott und der Schöpfung entfremdet hat. Es geht hier um die Einbahnstrasse des Zeitalters des Anthropozän, wo der Mensch zu sehr alles bestimmt und die Natur eigenmächtig ausbeutet. Der Mensch müsste sein Begrenzt-Sein anerkennen und vor Überheblichkeit auf der Hut sein, die blind macht und zerstörerisch sein kann. Bei meinen Gedichten geht es weniger um naturwissenschaftliche Aussagen, sondern es ist ein Versuch, anhand von Bildern, Schönheit und Lyrik die Menschen zum Nachdenken anzuregen.

Insbesondere in Ihren einleitenden Texten gehen Sie von wissenschaftlich nachgewiesenen Erkenntnissen aus und setzen sich mit diesen Herausforderungen poetisch auseinander. Können wissenschaftliche Erkenntnisse poetisch sein?
Unser heutiges Problem ist weniger das fehlende Wissen. Seit spätestens 1970 kennen wir die Gründe der Klimaerwärmung. Doch es fehlt uns der Wille und die Kraft, gemäss diesen Erkenntnissen zu handeln. Mit meiner Poesie versuche ich die Menschen im Herzen zu berühren, wo wir die grösseren Entscheidungen fällen. Sie soll ein Impuls sein, die Erkenntnisse rund um Natur und die soziale Gerechtigkeit umzusetzen.

Sie thematisieren die Ausbeutung von Rohstoffen, die sozialen Ungerechtigkeiten, Sie prangern die Zerstörung der Regenwälder als grüne Lungen der Welt an und erinnern daran, dass die Ärmsten am meisten unter dem Klimawandel zu leiden haben werden. Sehen Sie sich in der Tradition der Befreiungstheologen?
Es gibt verschiedene Ausrichtungen innerhalb der Befreiungstheologie. Ich schätze die «Befreiung des Volkes», wie sie der Papst aus Argentinien, Franziskus, pflegt… Er verbindet den Schrei der Erde und den Schrei der Ärmsten miteinander. Die Regenwälder spielen eine zentrale Rolle hinsichtlich der Biodiversität, der Vielfalt der Arten. Derzeit sind etwa 500’000 bis eine Million der insgesamt etwa acht Millionen Arten gefährdet. Sollte uns dies nicht zu denken geben?

Und der Graben zwischen Arm und Reich?
Ein Prozent der Weltbevölkerung besitzt etwa 50 Prozent des weltweiten Vermögens. Und einer Hälfte der Weltbevölkerung gehört nur etwa ein Prozent des weltweiten Vermögens. Das bedeutet eine ungerechte Kluft zwischen Arm und Reich, die sich irgendwann rächen kann.

Ist Umweltschutz ein religiöses Thema?
Ja, das gehört zur Kernbotschaft des christlichen Glaubens. Christen glauben an einen Gott, der alles ins Leben gerufen hat und in Jesus Christus alles erneuert. Die Erde gleicht einem Organismus, ist unser gemeinsames Haus, das uns Gott geschenkt hat. Die Bewegung der Genügsamkeit passt zur kirchlichen Tradition der Klöster und der Ordensgemeinschaft und deren Armutsgelübde.

Sie setzen Ihre Gedichte immer wieder in Bezug zu Psalmen oder Bibelstellen. War der Umgang mit der Schöpfung schon in der Bibel ein Thema?
Ja. Als Beispiele dienen die Texte aus Genesis, dem ersten Buch der Bibel (Kapitel 1 und 2), aber auch einzelne Psalmen wie etwa Psalm 104, auf den ich in meinem Gedichtband Bezug nehme.

Sind Ihre Gedichte als Appell an jeden Einzelnen zu verstehen, seinen Beitrag für die Umwelt zu leisten?
Die Idee zu diesem Buch ist auf einem Spaziergang am Rotsee in Luzern entstanden. Ich fragte mich, wie ich Menschen für die Anliegen des Klimawandels und der Biodiversität erreichen könnte. Die Gedichte an sich sind zweckfrei, verspielt, absichtslos und sollten nicht moralisierend wirken. Sie sollten aufgrund ihrer Schönheit zum Nachdenken anregen.

Was ist zu tun?
Wir wissen, dass wir den Ausstoss von CO2 und Methan weltweit möglichst rasch senken sollten. Und wir wissen, dass wir sauberes Trinkwasser, eine intakte Umwelt, Mitwelt und Landwirtschaft fördern müssen. Die Wirtschaft darf im Sinne der Kreislaufwirtschaft nicht auf Gewinn-Maximierung ausgerichtet sein, sondern muss den Menschen und die Umwelt als grösstes Kapital anerkennen. Jeder kann bei sich anfangen, im eigenen Garten, im Verringern des Fleischkonsums und des unnötigen Fliegens – aber es bedarf auch Anreize und einschneidende Entscheidungen mittels der Gesetze durch die Politik. Die Richtung stimmt, aber es geht viel zu langsam. Das spüren auch viele junge Menschen, etwa die Klimaaktivisten.

Was erhoffen Sie sich von den Leserinnen und Lesern des Gedichtbands «Wasser fällt wie Staub»?
Dass es sie anspricht, es ihnen zu Herzen geht, sie von einer besseren Welt zu träumen beginnen und daraus Taten folgen.

Sehen Sie sich als Rufer in der Wüste?
Auch Klimaphysiker sind die heutigen Propheten, auf die viele nicht hören wollen. Der Mangel an Offenheit für den christlichen Glauben gleicht in Westeuropa einer Wüste. Aber es wird die Zeit kommen, wo der Hunger und Durst nach Gott wieder wachsen wird.