Am besten ist das Königsein: Änna und Johan sind nun schon zum dritten Mal als Sternsinger dabei. | © Erik Brühlmann
Am besten ist das Königsein: Änna und Johan sind nun schon zum dritten Mal als Sternsinger dabei. | © Erik Brühlmann
28.12.2023 – Aktuell

Schweizer Kinder singen für Kinder in anderen Ländern

Zu Besuch bei den Sternsingern der Pfarrei St. Anton

Rund um den Dreikönigstag sorgen die Sternsinger für fröhliche Gesichter – bei den Menschen, für die sie singen, und bei den Kindern, denen die eingesungenen Spenden zugutekommen.

«Die Menschen freuen sich immer sehr, wenn wir kommen», sagt der 11-jährige Johan mit einem strahlenden Lächeln. Zusammen mit seiner 10-jährigen Schwester Änna ist er bereits zum dritten Mal Teil der Sternsingergruppe der Pfarrei St. Anton in Basel. In der 13-köpfigen Gruppe gibt es keine klare Rollenverteilung, alle dürfen mal Könige, Sternenträger und Chormitglieder sein. «Am liebsten bin ich Balthasar», sagt Änna. «Und ich Melchior», fügt Johan an. Änna und Johan haben die Freude am Sternsingen sozusagen geerbt. «Unsere Eltern haben das früher auch gemacht», sagt Johan, «und es macht ja auch viel Spass, das ist eine schöne Ferienaktivität.» Änna ergänzt: «Nach der Erstkommunion erhielten wir einen Brief zum Sternsingen, und da bekam ich gleich Lust drauf.» Fragestunde beendet, jetzt noch schnell fürs Foto die Kostüme überstreifen. So viel Zeit muss schliesslich sein!

 

Biblische Grundlagen

Die Gewänder der Kinder machen es auch für Laien deutlich: Das Sternsingen gründet auf der biblischen Erzählung über die Weisen aus dem Osten: «Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, siehe, da kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.» (Mt 2,1-2) Es fällt auf: Die Bibel spricht nicht von Königen. Königlich wurden die Sterndeuter erst im 6. Jahrhundert, vermutlich um deutlich zu machen, dass selbst die grösste irdische Macht dem Göttlichen huldigt – und wegen der kostbaren Geschenke. Zu Namen kamen die drei Könige erstmals im 6. Jahrhundert, als sie noch Thaddadia, Melchior und Balytora genannt wurden. Caspar, Melchior und Balthasar hiessen sie schliesslich ab dem 8. Jahrhundert. Sicher ist immerhin, dass die Könige nicht heilig sind, auch wenn sie oft so bezeichnet werden. Eine offizielle Heiligsprechung fand nämlich nie statt.

 

Beliebter Heischebrauch

Die Tradition des Sternsingens selbst geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Dreikönigsspiele zurück, bei denen schon im 10. Jahrhundert die Huldigung Jesu durch die drei Könige dramaturgisch dargestellt wurden. Verbrieft sind die ersten Sternsingen im 16. Jahrhundert in katholischen Regionen im österreichischen Raum. Die Ausgestaltung und das genaue Datum der Tradition variierten schon damals von Land zu Land, von Gemeinde zu Gemeinde. Überall jedoch war das Sternsingen ein Heischebrauch: Die Kinder sangen und sagten Gedichte auf, um Gaben zu erheischen.

 

Koordiniert für Kinderhilfsprojekte

Einen neuen Schub erfuhr das Sternsingen im 20. Jahrhundert, als man begann, die Sternsinger organisiert auszusenden, um gezielt Spenden für Hilfsprojekte zu sammeln. Bei der ersten «Aktion Dreikönigssingen» in Deutschland beteiligten sich 1959 100 Pfarrgemeinden, heute singen und sammeln die meisten der 12 500 deutschen Pfarrgemeinden zwischen Neujahr und dem Dreikönigsfest für den guten Zweck. In der Schweiz wird das Sternsingen seit 1989 von den Päpstlichen Missionswerken Missio koordiniert. 2023 waren schweizweit rund 700 Gruppen unterschiedlicher Grösse unterwegs, etwa 40 davon im Raum Basel; insgesamt beteiligten sich rund 10 000 Kinder und Jugendliche. Sie sammelten 2023 die enorme Summe von 1,5 Millionen Franken! 2024 gehen die Spenden aus der Aktion Sternsingen schwerpunktmässig an Kinderhilfsprojekte in der Region Amazonien. Das Thema dränge sich geradezu auf, findet Erwin Tanner-Tiziani, Direktor von Missio Schweiz. «Die Schöpfung um uns herum leidet und zerfällt allmählich», sagt er. «Das riesige Gebiet von Amazonien mit den dort lebenden Menschen, namentlich ihren Kindern, steht dabei stellvertretend für die unzähligen Umweltkrisen und die damit verbundenen Herausforderungen für und Erwartungen an uns als Christinnen und Christen.»

 

Es wird nicht einfacher

Zurück zur Pfarrei St. Anton in Basel, wo Pfarreisekretärin Pia Dongiovanni seit etwa sechs Jahren das Sternsingen leitet. «Ich laufe aber bestimmt schon seit doppelt so vielen Jahren als Begleitung mit», sagt die 57-Jährige. Während dieser Zeit habe sich das Sternsingen sehr verändert. «Damals gingen wir mit bis zu drei Gruppen von jeweils acht bis zehn Kindern zu den Familien nach Hause», erinnert sie sich. Doch mit jedem Jahr meldeten sich weniger Kinder für das Sternsingen an, sodass man sich irgendwann dazu entschloss, nur noch in Altersheimen aus dem Gebiet der Pfarrei zu singen. Auch immer herausfordernder wird es, neue Kinder für das Sternsingen zu gewinnen. «Von unseren 13 Kindern dieses Jahr waren 11 schon letztes Mal dabei», sagt Pia Dongiovanni. Und dies, obwohl die Pfarreisekretärin in drei Pfarreien «Werbung» machen kann, da sie in den Pfarreien St. Anton, Allerheiligen und St. Marien in Basel für die Erstkommunion zuständig ist. Die meisten Sternsingerinnen und Sternsinger sind denn auch Erstkommunikanten, ab und zu stösst jemand über Mund-zu-Mund-Propaganda zur Gruppe. Und wie lange dürfen sie bleiben? «Solang sie möchten!», sagt die Pfarreisekretärin, «die meisten sind aber maximal vier Jahre dabei.» Normalerweise sind die Kinder zwischen 9 und 13 Jahre alt.

 

Von der Aussendung bis zum Empfang

Im neuen Jahr gilt es dann ernst für die kleinen Könige und ihre Entourage. Diesmal erfolgt bereits am 31. Dezember  im Rahmen eines Gottesdiensts die Aussendung, während der die Kinder singen und einen Segen empfangen. Ab dem 2. Januar besuchen die Sternsinger dann die ganze Woche lang jeden Nachmittag Altersheime, insgesamt rund ein Dutzend. «Die Kinder werden dort immer sehr lieb empfangen und verwöhnt», sagt Pia Dongiovanni, «sie bekommen etwas zu trinken, etwas zu essen, manchmal sogar ein kleines Bhaltis.» Und natürlich die ganze Aufmerksamkeit der Bewohnerinnen und Bewohner, die sich immer sehr über die Auftritte der Sternsinger freuen. «Wenn die Kinder ‹Das isch dr Stärn vo Bethlehem› singen, kullern auch schon mal ein paar Tränen», weiss die Pfarreisekretärin. Natürlich spenden die Sternsinger auch den Segen «20*C+M+B+24» – «Christus Mansionem Benedicat», oder «Christus segne dieses Haus». Je nach Wunsch wird er mit Kreide oder als Kleber angebracht. «Und das Schöne ist: Kommen wir im folgenden Jahr wieder, ist der Segen immer noch an Ort und Stelle», freut sich Pia Dongiovanni. Und wie viele Spenden kommen im Lauf der Woche zusammen? «Die Spenden aus den Altersheimen und aus der Kollekte der beiden Gottesdienste belaufen sich jeweils auf um die 3000 bis 4000 Franken», sagt Pia Dongiovanni. Das Geld geht an das jeweils aktuelle Missioprojekt.

 

Singen im Fernsehgottesdienst

Am darauffolgenden Sonntag, dem 7. Januar, würde das Sternsingen normalerweise mit dem Empfangsgottesdienst abgeschlossen. Doch diesmal können die Basler Sternsinger an diesem Tag an einem Fernsehgottesdienst in der Kirche St. Martin in Olten teilnehmen, gemeinsam mit Sternsingern aus den Oltener Pfarreien St. Marien und St. Martin. «SRF stellte eine Anfrage an Sibylle Hardegger, die Radio- und Fernsehbeauftragte der Katholischen Kirche», erzählt Antonia Hasler, Leiterin des Pastoralraums Olten. Dass die Wahl dann auf ihre und die Basler Sternsinger als gemeinsame Gesangsgruppe fiel, freut sie sehr. Zumal der Gottesdienst unter der Leitung von Weihbischof Josef Stübi etwas festlicher als gewöhnlich ausfallen dürfte. Auch Pia Dongiovanni freut sich auf den Auftritt, obwohl er einen ziemlichen Mehraufwand für alle am Sternsingen Beteiligten bedeutet: «Es ist toll, dass wir diese Plattform bekommen und so unseren schönen Sternsingerbrauch wieder einmal ins Rampenlicht rücken können.»

Marius Leutenegger