Gustav Ragettli (links) und Georg Sigrist, Präsident und Vizepräsident der Kirchgemeinde (hier im Dachraum über der Apsis), leiteten die Sanierung. | © Christian von Arx
Gustav Ragettli (links) und Georg Sigrist, Präsident und Vizepräsident der Kirchgemeinde (hier im Dachraum über der Apsis), leiteten die Sanierung. | © Christian von Arx
10.08.2023 – Aktuell

Nach dem Brand ist die Kirche schöner als zuvor

Hofstetten-Flüh hat aus der Brandstiftung vom Silvester 2021 einen Neuanfang gemacht

An Silvester 2021 stand in Hofstetten-Flüh die Kirche in Brand. Gustav Ragettli und Georg Sigrist, Präsident und Vizepräsident der Kirchgemeinde, berichten vom Weg bis zur bevorstehenden Einweihung der sanierten Kirche.

«Es ist kein Witz! Die Kirche brennt!» Mit diesen Worten alarmierte Sakristanin Astrid Imhasly am Abend des 31. Dezember 2021 den Kirchgemeindepräsidenten. Für Georg Sigrist war es der letzte Tag in diesem Amt, an Neujahr trat Gustav Ragettli die Nachfolge an. So war die Stabübergabe nicht geplant.

Die Feuerwehren der Region retteten in der Silvesternacht die Kirche vor der Zerstörung. Aber vom Schriftenstand beim Eingang aus hatte das Feuer die Holztreppe und die Empore erfasst, die Orgel war vollständig verbrannt. Heisser Rauch verkohlte die Decke bis in den Chorraum. Hitze, Russ und Feuchtigkeit beschädigten Verputz und Kirchenbänke. Zwei Drittel der Butzenscheiben waren geborsten oder wiesen Risse auf. Eine in der Apsis aufgehängte Stuckatur war heruntergefallen, die Trümmer lagen auf dem Altar. «Es sah brutal aus», sagt Gustav Ragettli.

Den aus alten Holzbalken bestehenden Dachstuhl konnte die Feuerwehr schützen. Für den Abzug des Rauches musste sie aber ein Loch ins Dach schlagen. Georg Sigrist sorgte dafür, dass als erstes alle hölzernen Statuen unversehrt aus der brennenden Kirche gebracht wurden. Einzig die Statue des hl. Antonius weist heute noch starke Brandspuren auf.

Gedanken auf die Zukunft gerichtet

Wie weiter? «Wichtig war, dass wir frühzeitig ein Architekturbüro beizogen», hält Georg Sigrist fest. Gemeinsam fasste man ins Auge, auch Schäden zu beheben, die schon vor dem Brand bestanden. Zusätzlich wurden Aufwertungen einbezogen.

In der Kirchgemeinde fand das Projekt die Unterstützung der aktiven Mitglieder. An der Versammlung vom 22. Juni 2022 erhielt das Massnahmenpaket mit einem Globalbudget von 3,88 Mio. Franken fast einhellige Zustimmung. Heute sagt Präsident Ragettli: «Der Brand war kein Ende. Er wurde ein Neuanfang, der auf die Zukunft ausgerichtet ist.»

So hat das Kirchenschiff eine neue Holzdecke erhalten. Akustik und Lichtgestaltung wurden verbessert, die Kirchenbänke durch Stühle ersetzt. Ein neuer Zelebrationsaltar prägt den Altarraum. Für den Ersatz der verbrannten Goll-Orgel von 1972 ist eine Kommission an der Arbeit. Bis 2025 soll die Kirche in Hofstetten wieder eine schöne Orgel haben.

Von den Gesamtkosten der Instandsetzung übernehmen die Solothurnische Gebäudeversicherung rund 2,3 Mio. Franken, die Mobiliarversicherung 100 000 Franken. Weitere Beiträge werden die Denkmalpflege von Bund und Kanton und die Synode des Kantons Solothurn leisten. Die Inländische Mission hat ein zinsloses Darlehen gewährt. In der Epiphaniekollekte des Jahres 2024 wird die Kirchgemeinde berücksichtigt werden. All die bisher zugesicherten Zuwendungen für die Sanierung der nicht-brandbedingten Schäden und für die Instandstellung des Gebäudes reichen aber nicht zur Deckung der gesamten Kosten.

Die Finanzierung des gesamten Projekts wird für die 850 Mitglieder zählende Kirchgemeinde Hofstetten-Flüh eine Herausforderung bleiben. «Wir werden Stiftungen anfragen und Spenden sammeln», sagt Gustav Ragettli.

«Es braucht einen Ort des Rückzugs»

Der Brand der Kirche hat den Verantwortlichen eine grosse Aufgabe aufgebürdet. «Aber als vor ein paar Wochen das Gerüst in der Kirche abgebaut war, hatte ich den Eindruck: Es ist noch besser geworden als vorausgesagt», freut sich Georg Sigrist.

Gustav Ragettli meint, er habe bei der Arbeit nie eine Krise durchgemacht, weil er immer auf eine gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten zählen konnte. «Es ist eine wichtige Aufgabe, einen Ort des Rückzugs, der Andachten, der feierlichen Zusammenkünfte und Gottesdienste zur Verfügung zu stellen. Und das tun wir hier.»

In seiner Einladung zur Einweihung vom 20. August wagt der Kirchgemeindepräsident die Voraussage, dass die Sanierung und die neue Gestaltung der Kirche den Ansprüchen künftiger Generationen in den nächsten 50 Jahren entsprechen werden. Ein Zeuge wird ihnen auch in der «neuen» Kirche vom Brand an Silvester 2021 erzählen: die Statue des heiligen Antonius.

Christian von Arx

 

Pfarrkirche St. Nikolaus in Hofstetten: Eckdaten

Die Bauzeit der ursprünglichen Kirche ist unbekannt. Aufgrund des Patroziniums wird der Zeitraum 1200 bis 1250 vermutet. Erstmals erwähnt wird die Kirche in einem Eintrag zum Jahr 1376.

1609                      Neubau von Turm und Chor

1724/25               Neubau der Kirche mit Verlegung von der untern (südlichen) auf die obere (nördliche) Seite des Turms

1855                      Verlängerung der Kirche um 8,5 Meter Richtung Westen

1962/63               Renovation und Neugestaltung mit radikaler Ausräumung des Kirchenmobiliars

1994/95               Sanierung Dach und äusseres Mauerwerk

1997/98               Neugestaltung des Innenraums, mit 52-teiligem Bilderfries von Adelheid Hanselmann

31. Dezember 2021: Brandstiftung im Innern mit grossen Schäden an Orgel, Empore, Innenraum und Dachstuhl durch Feuer, Rauch, Hitze und Wasser

2022/23               Instandsetzung der Kirche mit Sanierung der Brand- und vorbestehenden Schäden, zusätzlichen Verbesserungen und neuen Gestaltungselementen im Innenraum.

 

Der Schock: Am Silvesterabend 2021 brannte die Kirche. | © zVg
So sah es nach dem Brand im Innern der Kirche aus. | © zVg
Die Nordseite der Kirche von Hofstetten noch mit einem Gerüst (Aufnahme 26.7.2023). | © Christian von Arx
Die Reparatur der Holzbalken musste wegen des früher als Schutz gegen Insektenbefall verwendeten Giftes DDT mit Schutzmaske ausgeführt werden. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Für den Abzug des heissen Rauches musste beim Brand ein Loch ins Dach geschlagen werden. Hier die geflickte Stelle vom Dachraum aus (Aufnahme 26.7.2023). | © Christian von Arx
Blick in den ausgebesserten Dachraum (Südseite) mit den neuen elektrischen Installationen für die Deckenbeleuchtung (Aufnahme 26.7.2023). | © Christian von Arx
Für die Arbeiten an Decke, Wänden und Empore war der Innenraum der Kirche mit Gerüsten erschlossen. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Wie ein dekoratives Schmuckstück: das Holzgitter der auf verbesserte Akustik ausgerichteten neuen Decke in der Kirche. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Sie sind überzeugt, dass die neue Gestaltung den Ansprüchen der kommenden 50 Jahre genügen wird: Gustav Ragettli (rechts) und Georg Sigrist beim Taufstein im Kirchenschiff. | © Christian von Arx
Arbeit auf der Empore. Sie wies die grössten direkten Brandschäden auf. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Teil der Südseite der Kirche St. Nikolaus mit dem Turm (erbaut 1609, ältester Teil der heutigen Kirche) und der Apsis an der Ostseite. | © Christian von Arx
Innenraum mit Blick gegen die Empore nach der Sanierung (Aufnahme 26.7.2023). Noch fehlt die Bestuhlung im Schiff. Auf der Empore soll bis 2025 eine neue Orgel eingebaut werden. | © Christian von Arx
Visualisierung des sanierten, mit Stühlen und neuen Elementen gestalteten Innenraums. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Visualisierung der neu gestalteten Seitenwand Süd. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Visualisierung des Eingangsbereichs und der Empore. Die Orgel fehlt zurzeit noch, vorgesehen ist eine neue Orgel bis zum Jahr 2025. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Visualisierung Eingangsbereich: Anstelle der verbrannten Holztreppe gewährt neu eine Wendeltreppe aus Metall den Zugang zur Empore. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Visualisierung: Blick aus dem Chor ins Kirchenschiff, mit neuem Zelebrationsaltar und Ambo. Die auf der Empore dargestellte Orgel wird voraussichtlich im Jahr 2025 realisiert. | © Flubacher Nyfeler Partner Architekten
Die Aussage der Schrifttafel des Wertewegs Schwarzbubenland beim Zugang zum Kirchenareal behält auch für die Besucher/innen der neu gestalteten Kirche St. Nikolaus ihre Gültigkeit. | © Christian von Arx