Nach dem Brand ist die Kirche schöner als zuvor
Hofstetten-Flüh hat aus der Brandstiftung vom Silvester 2021 einen Neuanfang gemacht
An Silvester 2021 stand in Hofstetten-Flüh die Kirche in Brand. Gustav Ragettli und Georg Sigrist, Präsident und Vizepräsident der Kirchgemeinde, berichten vom Weg bis zur bevorstehenden Einweihung der sanierten Kirche.
«Es ist kein Witz! Die Kirche brennt!» Mit diesen Worten alarmierte Sakristanin Astrid Imhasly am Abend des 31. Dezember 2021 den Kirchgemeindepräsidenten. Für Georg Sigrist war es der letzte Tag in diesem Amt, an Neujahr trat Gustav Ragettli die Nachfolge an. So war die Stabübergabe nicht geplant.
Die Feuerwehren der Region retteten in der Silvesternacht die Kirche vor der Zerstörung. Aber vom Schriftenstand beim Eingang aus hatte das Feuer die Holztreppe und die Empore erfasst, die Orgel war vollständig verbrannt. Heisser Rauch verkohlte die Decke bis in den Chorraum. Hitze, Russ und Feuchtigkeit beschädigten Verputz und Kirchenbänke. Zwei Drittel der Butzenscheiben waren geborsten oder wiesen Risse auf. Eine in der Apsis aufgehängte Stuckatur war heruntergefallen, die Trümmer lagen auf dem Altar. «Es sah brutal aus», sagt Gustav Ragettli.
Den aus alten Holzbalken bestehenden Dachstuhl konnte die Feuerwehr schützen. Für den Abzug des Rauches musste sie aber ein Loch ins Dach schlagen. Georg Sigrist sorgte dafür, dass als erstes alle hölzernen Statuen unversehrt aus der brennenden Kirche gebracht wurden. Einzig die Statue des hl. Antonius weist heute noch starke Brandspuren auf.
Gedanken auf die Zukunft gerichtet
Wie weiter? «Wichtig war, dass wir frühzeitig ein Architekturbüro beizogen», hält Georg Sigrist fest. Gemeinsam fasste man ins Auge, auch Schäden zu beheben, die schon vor dem Brand bestanden. Zusätzlich wurden Aufwertungen einbezogen.
In der Kirchgemeinde fand das Projekt die Unterstützung der aktiven Mitglieder. An der Versammlung vom 22. Juni 2022 erhielt das Massnahmenpaket mit einem Globalbudget von 3,88 Mio. Franken fast einhellige Zustimmung. Heute sagt Präsident Ragettli: «Der Brand war kein Ende. Er wurde ein Neuanfang, der auf die Zukunft ausgerichtet ist.»
So hat das Kirchenschiff eine neue Holzdecke erhalten. Akustik und Lichtgestaltung wurden verbessert, die Kirchenbänke durch Stühle ersetzt. Ein neuer Zelebrationsaltar prägt den Altarraum. Für den Ersatz der verbrannten Goll-Orgel von 1972 ist eine Kommission an der Arbeit. Bis 2025 soll die Kirche in Hofstetten wieder eine schöne Orgel haben.
Von den Gesamtkosten der Instandsetzung übernehmen die Solothurnische Gebäudeversicherung rund 2,3 Mio. Franken, die Mobiliarversicherung 100 000 Franken. Weitere Beiträge werden die Denkmalpflege von Bund und Kanton und die Synode des Kantons Solothurn leisten. Die Inländische Mission hat ein zinsloses Darlehen gewährt. In der Epiphaniekollekte des Jahres 2024 wird die Kirchgemeinde berücksichtigt werden. All die bisher zugesicherten Zuwendungen für die Sanierung der nicht-brandbedingten Schäden und für die Instandstellung des Gebäudes reichen aber nicht zur Deckung der gesamten Kosten.
Die Finanzierung des gesamten Projekts wird für die 850 Mitglieder zählende Kirchgemeinde Hofstetten-Flüh eine Herausforderung bleiben. «Wir werden Stiftungen anfragen und Spenden sammeln», sagt Gustav Ragettli.
«Es braucht einen Ort des Rückzugs»
Der Brand der Kirche hat den Verantwortlichen eine grosse Aufgabe aufgebürdet. «Aber als vor ein paar Wochen das Gerüst in der Kirche abgebaut war, hatte ich den Eindruck: Es ist noch besser geworden als vorausgesagt», freut sich Georg Sigrist.
Gustav Ragettli meint, er habe bei der Arbeit nie eine Krise durchgemacht, weil er immer auf eine gute Zusammenarbeit mit allen Beteiligten zählen konnte. «Es ist eine wichtige Aufgabe, einen Ort des Rückzugs, der Andachten, der feierlichen Zusammenkünfte und Gottesdienste zur Verfügung zu stellen. Und das tun wir hier.»
In seiner Einladung zur Einweihung vom 20. August wagt der Kirchgemeindepräsident die Voraussage, dass die Sanierung und die neue Gestaltung der Kirche den Ansprüchen künftiger Generationen in den nächsten 50 Jahren entsprechen werden. Ein Zeuge wird ihnen auch in der «neuen» Kirche vom Brand an Silvester 2021 erzählen: die Statue des heiligen Antonius.
Christian von Arx
Pfarrkirche St. Nikolaus in Hofstetten: Eckdaten
Die Bauzeit der ursprünglichen Kirche ist unbekannt. Aufgrund des Patroziniums wird der Zeitraum 1200 bis 1250 vermutet. Erstmals erwähnt wird die Kirche in einem Eintrag zum Jahr 1376.
1609 Neubau von Turm und Chor
1724/25 Neubau der Kirche mit Verlegung von der untern (südlichen) auf die obere (nördliche) Seite des Turms
1855 Verlängerung der Kirche um 8,5 Meter Richtung Westen
1962/63 Renovation und Neugestaltung mit radikaler Ausräumung des Kirchenmobiliars
1994/95 Sanierung Dach und äusseres Mauerwerk
1997/98 Neugestaltung des Innenraums, mit 52-teiligem Bilderfries von Adelheid Hanselmann
31. Dezember 2021: Brandstiftung im Innern mit grossen Schäden an Orgel, Empore, Innenraum und Dachstuhl durch Feuer, Rauch, Hitze und Wasser
2022/23 Instandsetzung der Kirche mit Sanierung der Brand- und vorbestehenden Schäden, zusätzlichen Verbesserungen und neuen Gestaltungselementen im Innenraum.