Blick auf die Tiberinsel mit dem Spital «San Giovanni Calibita» des Fatebenefratelli-Ordens. | © Petra Dirscherl/pixelio.de
Blick auf die Tiberinsel mit dem Spital «San Giovanni Calibita» des Fatebenefratelli-Ordens. | © Petra Dirscherl/pixelio.de
23.02.2023 – Impuls

Matthäus 25,35–36

Ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis und ihr seid zu mir gekommen.

Einheitsübersetzung 2016

 

Christlich leben heisst Beistand leisten

An einem sonnigen Frühlingssonntag war ich wieder einmal mit meinem Freund Miguel zu Fuss in Rom unterwegs. Beim Vorbeigehen erzählte er mir die Legende von der Tiberinsel: 300 vor Christus grassierte in der Stadt Rom eine furchtbare Seuche. Die Priester sandten in ihrer Hoffnungslosigkeit Boten nach Epidauros, dem Kultplatz von Aesculap, dem griechischen Gott der Heilkunst. Sie kehrten mit einer heiligen Schlange nach Rom zurück, die ihnen vom Boot aus jedoch auf der Höhe der Tiberinsel entwischte. Daraufhin wurde dort ein Tempel errichtet, der Aesculap geweiht wurde. Wie es dann mit der Seuche weiterging, wissen wir nicht. Aber dass dort im Jahr 1582 die Ordensbrüder des heiligen Johannes von Gott ihre Kirche und das Krankenhaus «Fate bene fratelli» errichteten, ist keine leere Überlieferung. Es existiert mit dem dazugehörenden Kloster noch heute.

Johannes von Gott, der Ordensgründer der Barmherzigen Brüder, führte ein sehr abwechslungsreiches Leben. Fast scheint es so, dass er lange Zeit nicht so recht wusste, was er machen sollte. Die Predigt des Johannes von Ávila hat ihn aufgerührt. Er rannte nackt durch die Strasse und wurde als Wahnsinniger ins königliche Spital von Granada gebracht. Der darob erschrockene Johannes von Ávila konnte ihn der Überlieferung nach wieder zur Vernunft bringen, woraufhin Johannes von Gott sich aufgrund seines Krankenhausaufenthalts und der gemachten Erfahrungen ganz der Krankenpflege annahm. Er tat dies in einer für die damalige Zeit unüblichen, äusserst menschlichen Art und Weise und konnte zahlreiche junge Leute dafür begeistern, die dann mit ihm einen Krankenpflegeverein gründeten. Erst nach seinem Tod entwickelte sich aus diesem Verein der Orden der Barmherzigen Brüder.

Kein Wunder also, werden uns im Evangelium an seinem Gedenktag die Werke der Barmherzigkeit vor Augen geführt. Eindrücklich legt uns Jesus nahe, worauf es ankommt und was sein Massstab ist. Christlich leben bedeutet also, sich in die Not des Gegenübers hineinzuversetzen und ihm tatkräftig Beistand zu leisten. Essen, Trinken, Obdach, Kleidung, Pflege und Zuwendung geben, das führt zum Zentrum des christlichen Glaubens und betont in besonderer Weise die Würde des Menschen. In der späteren Tradition wurde noch das siebte Werk der Barmherzigkeit – «Tote bestatten» – hinzugefügt. Nebst diesen leiblichen Werken der Barmherzigkeit entwickelten sich entsprechend sieben Werke der «geistigen» Barmherzigkeit: Unwissende lehren, Zweifelnden raten, Irrende zurechtweisen, Trauernde trösten, Unrecht ertragen, Beleidigungen verzeihen, für Lebende und Tote beten.

Johannes von Gott hat für seine Zeit neue Pflegemethoden eingeführt, bei denen die Zuwendung zum Menschen und seinem Einzelschicksal im Zentrum stand. Das hat vermutlich seine Zeitgenossen dermassen beeindruckt, dass sie sich für seine Ideen mobilisieren liessen. Damit hat Johannes eine Bewegung ausgelöst, die bis heute anhält.

Wenn wir uns fragen, wie wir in der heutigen Zeit christlich leben und andere Menschen davon überzeugen können, dann kann uns Johannes von Gott Vorbild und Ermutigung sein. Die Werke der Barmherzigkeit sind dabei eine konkrete Anregung. Sie können uns inspirieren, Gott noch mehr «in Tat und Wahrheit» zu lieben (1. Brief des Johannes 3,18).

Mathias Jäggi, Theologe und Sozialarbeiter, arbeitet als Berufsschullehrer