Die Schweizerinnen Noemi, Julia und Florina in der Altstadt von Breslau. | © Vera Rüttimann/kath.ch
Die Schweizerinnen Noemi, Julia und Florina in der Altstadt von Breslau. | © Vera Rüttimann/kath.ch
02.01.2020 – Aktuell

«Einheit statt Gemeinheit»

Taizé-Jugendtreffen in Breslau mit 14’000 Teilnehmenden – davon 80 aus der Schweiz

Freude, Wehmut und neuer Esprit: Tausende junge Menschen aus rund 60 Nationen haben über den Jahreswechsel in Breslau ihren Glauben gefeiert. Durch neu entstandene Freundschaften sind sie auch künftig miteinander verbunden.

Lange Schlangen bei den Strassenbahnstationen, wegen der Kälte dick eingepackte junge Menschen, die meisten mit einem Lächeln im Gesicht und einem Taizé-Rucksack auf dem Rücken. Am 1. Januar ist das mehrtägige Europäische Taizé-Jugendtreffen im polnischen Breslau mit rund 14’000 Teilnehmern – darunter auch rund 80 aus der Schweiz – zu Ende gegangen. Es war ein Fest der Gemeinschaft und des Glaubens, das über Grenzen hinweg Menschen verbindet – in einer Zeit, in der das Wort Grenze einen hohen Symbolgehalt hat.

Begegnung junger Menschen als Hoffnung für die Zukunft

Der Leitgedanke der Völkerverständigung stand im Kontext zur aktuellen Weltpolitik. «Wir bringen junge religiöse Menschen zusammen und leben die christlichen Werte», betonte Frère Alois Löser, Leiter der ökumenischen Taizé-Gemeinschaft. Die Begegnung junger Menschen sehe er als Hoffnung für die Zukunft Europas – in dem die Menschen «das Zuhören nicht verlernen dürfen». Politische, kulturelle und sprachliche Grenzen seien hier nicht so wichtig. Es gehe vielmehr um Gott und den Glauben.

Die europäische Völkerverständigung war auch dem Erzbischof von Breslau, Jozef Kupny, ein wichtiges Anliegen. «Europa hat junge Menschen, die nach christlichen Werten leben, dringend nötig. Es ist gut, dass ihr euch gegen das einsetzt, was trennt», sagte er zu den Teilnehmern des Treffens. Im Vordergrund stehe für ihn aber «ganz klar, Gott zusammen zu ehren». Die Anziehungskraft gründe immer wieder in der besonderen Atmosphäre von Taizé. «Das Treffen von 2020 ist zwar in Turin, aber wir in Breslau brennen darauf, dass Taizé wiederkommt», so der Geistliche.

«Einheit, Offenheit und Zusammenhalt dürfen keine Phrasen sein», lautete die Einschätzung des Taizé-Bruders Ulrich. Eine Gastfreundschaft, wie sie bei der Veranstaltung in Breslau gelebt werde, sei praktischer Natur: miteinander lachen, reden und vor allem aufeinander eingehen. Das führe die Menschen zusammen.

Taizé-Gesänge füllten Jahrhunderthalle

Auf dem Programm standen oft gemeinsame Gebete. Täglicher Höhepunkt war das Abendgebet mit Frère Alois Löser. Dann wurde es in der Breslauer Jahrhunderthalle still und andächtig. Taizé-Gesänge erfüllten den Raum. Musiker stimmten tragende Melodien an. Zum Ende hin gab es immer wieder Zeit, im Stillen zu beten oder einfach den Moment in sich aufzunehmen.

Zahlreiche Workshops widmeten sich 30 verschiedenen aktuellen Themen aus den Bereichen Spiritualität, Kirche, Solidarität und Gesellschaft, Kunst und Glauben. So erzählten die Brüder über Taizé, von polnischen Familien von ihren Erfahrungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Dazwischen trafen sich die Jugendlichen in kleinen Gruppen oder nutzten die freie Zeit, um durch die Stadt zu streifen. Und fast immer war ein Taizé-Bruder für ein Gespräch in der Nähe.

Das Treffen war nicht zuletzt eine logistische Herausforderung für die Veranstalter: Etwa 1000 Freiwillige organisierten Essen und Workshops. Rund 45’000 warme Mahlzeiten und 5,5 Tonnen Brot sowie 70’000 Mandarinen und Orangen wurden an die Teilnehmer verteilt. «Ich habe viele neue Freunde gefunden und fühle mich bestärkt bei allem, was ich tue», fasste Robert seine Eindrücke zusammen. Der 19-jährige Pole half bei der Essensausgabe. «Das Treffen zeigt: Wir brauchen Einheit und keine Gemeinheit, wie sie in der aktuellen Politik oft vorkommt», so sein Fazit.

Fest der Nationen an Silvester

Bei der Begegnung der deutschsprachigen Teilnehmer am Dienstagnachmittag teilten mehrere Jugendliche ihre Erlebnisse mit den anderen. Die Münchnerin Alicia berichtete etwa von einer 90-jährigen polnischen Frau, die sie mit ihrer persönlichen Geschichte über den Zweiten Weltkrieg zu Tränen gerührt habe.

An Silvester feierten die Breslauer und ihre Gäste gemeinsam ins neue Jahr. Vielerorts kam es zu spontanen Partys. Das Jugendtreffen fand seinen Ausklang mit einem «Fest der Nationen» in den Gastgemeinden. Dabei sollte vor allem die Bedeutung von Einheit und Frieden vermittelt werden.

Die ökumenische Gemeinschaft von Taizé im Burgund wählt jedes Jahr eine andere Stadt für das Europäische Taizé-Treffen in den Tagen vom 28. Dezember bis 1. Januar.  Am Jahreswechsel 2017/18 fand es in Basel statt. Beim nächsten Taizé-Treffen in Turin werden sich etliche Teilnehmer aus Breslau erneut begegnen.

Christian Michael Hammer, kna