23.06.2018 – Editorial

Leute machen Kleider

Es gab eine Zeit, da umfasste meine Garderobe eine überschaubare Zahl von T-Shirts. Davon haben einzelne bis heute im Kleiderschrank überlebt, die einen dank ihrer Qualität trotz häufigen Tragens und Waschens, andere weil sie auf der Beliebtheitsskala nicht zuoberst figurierten. Und mit jedem neuen T-Shirt, das hinzukam, erhöhten sich die Überlebenschancen der alten. Jene, die es nicht geschafft haben, wanderten in die haushalteigene Lumpensammlung und kommen nun beim Putzen zum Einsatz.

T-Shirts waren schon vor Jahrzehnten billig, so billig, dass man sie sich problemlos leisten konnte, sich aber auch fragte, wer daran noch etwas verdiente. Daran hat sich grundsätzlich nichts geändert. Die Problematik hat sich allerdings noch verschärft. Während unsere Löhne gestiegen sind, sanken die Preise für Bekleidung weiter. Und nicht nur das. Wenn man sich früher ein bestimmtes Stück nicht leisten konnte oder wollte, hatte man die Chance, dass es immer noch verfügbar war, wenn man dann das Geld und/oder die Entschlusskraft zusammen hatte. Heute muss man sofort zugreifen, derart schnell wechseln die Modetrends und die Kollektionen, auch und gerade im Billigsektor.

Das Resultat: Berge von Kleidern und auch Schuhen, die schnell gekauft, meist nur kurz oder gar nie getragen und dann weggeworfen werden. Die Mengen, die heute in den Säcken von «Alt»-Kleidersammlungen landen, sind gewaltig. Kleider und Schuhe als Wegwerfware – das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch.
Es beginnt bei Anbau und Produktion der Rohstoffe für Textilien. Der Wasserverbrauch für den Anbau von Baumwolle ist hoch. Dazu kommt der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Belastend für die Umwelt ist auch die Textilveredelung, die viel Wasser, Chemikalien und Energie benötigt. Weiter gehts in den Fabriken, wo das, was wir billig kaufen und schnell wegwerfen, oft unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen entsteht. Leute machen Kleider für Löhne weit unter der Existenzsicherung, in Gebäuden, die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllen.

Die Katastrophe von Rana Plaza in Bangladesch im April 2013 hat dies der Weltöffentlichkeit tragisch vor Augen geführt. Informationen über die negative Kehrseite von schnell und billig und über Produkte, die Umwelt- und Menschenrechtsstandards einhalten, gibt es ­genug, wenn man sich die Mühe macht, sie zu suchen. Zum Beispiel hier: greenpeace.de, publiceye.ch (Suchbegriff: Wegwerfware Kleidung).

Regula Vogt-Kohler