Monika Hungerbühler in ihrem halb leer geräumten Büro im Pfarrhaus der Offenen Kirche Elisabethen in Basel. | © Regula Vogt-Kohler
Monika Hungerbühler in ihrem halb leer geräumten Büro im Pfarrhaus der Offenen Kirche Elisabethen in Basel. | © Regula Vogt-Kohler
27.01.2022 – Aktuell

Unterscheiden zwischen dem Menschen und seinem Amt

Nach 35 Jahren Tätigkeit in der römisch-katholischen Kirche geht Monika Hungerbühler in Pension

Streitbar in inhaltlichen Positionen, versöhnlich im Ton: So ist die feministische Theologin Monika Hungerbühler ihren Weg durch die Institution der römisch-katholischen Kirche gegangen. Am 1. Februar beginnt ihre Pensionszeit.

Als Monika Hungerbühler 1986 ihre berufliche Laufbahn in der katholischen Kirche als Jugendseelsorgerin im Laufental begann, war der Pfarrer noch im Dorf. «Jedes Dorf hatte seinen eigenen Pfarrer», erzählt sie in ihrem schon halb leergeräumten Büro. Die Reaktionen der Pfarrherren seien sehr unterschiedlich ausgefallen. Während es der eine kaum fassen konnte, dass da nun eine Frau in seiner Kirche Gottesdienste halten sollte, überreichte ihr ein anderer mit «Hallo, welchen Teil liest du?» das Messbuch.

Strukturell stehen geblieben

35 Jahre später kommt die Theologin und Seelsorgerin zu einem ernüchternden Fazit. Es habe sich zwar viel bewegt, Frauen sind heute in vielfältiger Weise in der Kirche tätig. «Strukturell sind wir aber stehen geblieben», sagt Hungerbühler. Der Versuch von Papst Johannes Paul II., 1994 die Debatte über das Frauenpriestertum zu beenden, sei ein eindeutiger Rückschritt. Dazu kommen weitere Faktoren. Hungerbühler spricht von einem Zusammenspiel von konservativer Leitung mit Säkularisierung, Desinteresse und einem Abfliessen von kritischen Geistern, aber auch mit Skandalen.

Mit welchen Gefühlen beendet sie ihr berufliches Engagement in der katholischen Kirche? Geht sie frustriert? «Ja und nein», lautet die Antwort in Kurzfassung. Und mindestens zeitweise seien «desillusioniert» und «distanziert» die zutreffenderen Worte. Es ist eine Perspektive, die in ihr die Frage «Da gehöre ich dazu?» auslöst. Dabei weiss sie ganz genau, wozu sie gehört: «Zur Bewegung von Gerechtigkeit suchenden Menschen, die Jesus nachfolgen.»

«Wir alle hatten Hoffnung»

Mit welchen Vorstellungen und Erwartungen ist Monika Hungerbühler gestartet? Sie begann ihr Theologiestudium 1978 und lernte die feministische Theologie kennen, intensiv vor allem in Tübingen. Sie habe schon Hoffnung auf Reformen gehabt, sagt sie. «Wir alle hatten Hoffnung.» Es herrschte Aufbruchstimmung, und es sei sehr viel publiziert worden. «Damals schien und war auch sehr viel möglich», schrieb sie 2004 in einem Beitrag in der von ihr 1985 mitgegründeten feministisch-theologischen Zeitschrift Fama.

Türen, die sich schon geöffnet hatten, schlossen sich jedoch wieder. Monika Hungerbühler gehörte 1986 zum letzten Pastoralkurs (heute Berufseinführung), bei dem Institutio (Amtseinsetzung) und Priesterweihe in einer gemeinsamen Feier gespendet wurden. Ihr beruflicher Weg in der katholischen Kirche führte vom Laufental nach Basel, und in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten war sie eine der prägenden Figuren in der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt (RKK BS). Sie arbeitete sieben Jahre im Bethesda-Spital, sie leitete die Frauenstelle von 2003 bis zu deren Aufhebung 2012 und war seit 2009 Co-Leiterin der Offenen Kirche Elisabethen (OKE). Zudem war sie von 2009 bis 2018 Co-Dekanatsleiterin des Dekanats Basel-Stadt und von 2016 bis 2018 Leiterin des Projekts Pastoralraum Basel-Stadt.

«Ich habe Menschen einfach gern»

Die Zusammenarbeit mit Pastoralraumpfarrer Stefan Kemmler und Co-Dekan Ruedi Beck sei schön gewesen. Natürlich seien sie in verschiedener Hinsicht unterschiedlicher Meinung gewesen, doch es gelte zu unterscheiden zwischen dem Menschen und seinem Amt, seiner Funktion und Position. «Ich konnte immer den Menschen sehen», sagt Hungerbühler. «Ich habe Menschen einfach gern.» Als Co-Dekanatsleiterin habe sie den Bischof regelmässig getroffen. Nie sei sie in ihrer Arbeit eingeschränkt worden, nur einmal habe der damalige Bischofvikar wegen eines Anlasses in der OKE nachgefragt.

In ihrem selbstverfassten Abschiedstext für die basel-städtischen Pfarreiseiten pflichtet sie einem Seelsorgekollegen bei, dass sie den schönsten Beruf hätten. Für die Begeisterung nennt sie viele Gründe. Als erstes die grosse Vielfalt: «Jeder Tag ist ganz anders, und es hat immer mit Menschen zu tun.» Sie geniesst es auch, «tolle Sachen» organisieren zu dürfen. Zu den Pluspunkten zählt weiter, dass man es mit allen Altersklassen zu tun hat und dass man am Leben der Menschen teilhaben, mittrauern, mitfeiern, sich mitfreuen darf.

Die Bibel und kirchliche Traditionen sind für sie eine Schatztruhe. «Ich darf etwas herausnehmen, mir Gedanken dazu machen, und andere hören mir zu oder lesen, was ich dazu geschrieben habe.» Und last but not least: «Ich darf auch kritisch sein, ich darf auch laut sein – ohne gleich die Kündigung zu bekommen.»

War angesichts der bisher unerfüllten Hoffnungen auf strukturelle Änderungen ein Austritt je eine Option? Sie habe in der Kirche arbeiten wollen, sagt Hungerbühler mit Nachdruck. Während sie quasi den Weg durch die Institution gegangen ist, engagieren sich andere ausserhalb der Kirche. Aus ihrer Sicht macht beides Sinn, und es gehe nicht nur ums Priesteramt für Frauen, sondern auch generell um ein anderes Ämterverständnis.

Regula Vogt-Kohler

 

Mit Hut und Velo: Monika Hungerbühler vor dem Eingang zum Büro der damaligen Frauenstelle der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt (Januar 2003).  | © Archiv kh
Zentrale Rolle: Mit Bischof Felix Gmür (links) und Pfarrer Stefan Kemmler (rechts) bei der Medienkonferenz anlässlich der Errichtung des Pastoralraums Basel-Stadt im Juni 2018. | © Regula Vogt-Kohler