Wie im römischen Strassenverkehr braucht es auch im Leben eine Orientierung, die einen Weg über Egoismus und Ignoranz hinaus weist. (Foto: Rainer Sturm/pixelio.de)
Wie im römischen Strassenverkehr braucht es auch im Leben eine Orientierung, die einen Weg über Egoismus und Ignoranz hinaus weist. (Foto: Rainer Sturm/pixelio.de)
03.03.2018 – Impuls

Exodus 20,1–17

Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Du sollst dir kein Gottesbild machen und ­keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht. Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebst in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt. Du sollst nicht morden. Du sollst nicht die Ehe brechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau ­deines Nächsten verlangen, nach seinem Sklaven oder seiner Sklavin, seinem Rind oder seinem Esel oder nach irgendetwas, das deinem Nächsten gehört.

Einheitsübersetzung (gekürzt: Ex 20,1–4.7–8.11a.12–17)

 

Ein kleiner Cinquecento und die Zehn Gebote

Es war ein heisser Spätsommertag in Rom. Nach Dienstschluss wollten wir Schweizergardisten in unserer Viererclique noch kurz ans Meer fahren und etwas Feines essen gehen. Trotz einsetzendem Feierabendverkehr hofften wir, davor noch kurz im Meer zu baden. Inzwischen kannten wir einen kleinen Schleichweg, der uns schnell aus der Stadt brachte, doch heute war es wie verhext. Kaum waren wir in die Einbahnstrasse abgebogen, stand nach knappen hundert Metern der Verkehr still. Es ging weder vor- noch rückwärts.

Nahmen wir es anfänglich noch gelassen, so wurden wir mit der Zeit des Wartens müde. Um uns herum hupten alle Autos, einzelne Fahrer waren ausgestiegen, diskutierten und gestikulierten zusammen auf der Strasse, andere wiederum telefonierten aufgeregt und liefen neben ihrem Auto auf und ab. Ohne Klimaanlage wurde es im Auto unerträglich heiss und so stiegen wir ebenfalls aus. Dabei erfuhren wir, dass etwas weiter vorne ein kleiner Cinquecento unerlaubt neben einer grossen Mülltonne parkte, so dass der Autobus nicht an ihm vorbeikam. Einzelne Autofahrer liefen in die umliegenden, kleinen Geschäfte und suchten nach dem Fahrer.

Letztendlich standen gar der Metzger, der Bäcker und die Besitzerin der Pasticceria ratlos diskutierend mit den anderen auf der Strasse. Nein, sie wüssten auch nicht, wem das Auto gehöre! Keine Ahnung! Das sei keiner aus dem Quartier. So eine Frechheit! Ein älterer Herr neben mir kommentierte das Ganze und murmelte etwas von «Ignoranza» und «Egoista». Einzelne Gäste der Kaffeebar standen mit der Tasse in der Hand auf der Strasse und schauten dem Chaos belustigt zu.

Es vergingen weitere, gefühlte zehn Minuten, da erschien ein geschniegelter und adrett bekleideter junger Mann, der am Arm eine ebenso hübsch gekleidete junge Frau zum Auto führte. Die erboste Menge fiel mit einem Wortschwall über ihn her. Meine Italienischkenntnisse waren damals noch nicht so gut, aber ich verstand auch so, dass hier keine Sympathien bekundet wurden.

Über die Zehn Gebote ist schon viel geschrieben worden. Sie werden kontrovers diskutiert. Viele stempeln sie als antiquiert ab! Bei genauerer Betrachtung entnehme ich ihnen so etwas wie eine Lebensregel und einige ihrer Inhalte finden sich gar in unserem Straf- und Zivilrecht wieder. In meinen Augen geht es jedoch weniger um das, was sie alles verbieten. In einer Zeit, die mir gelegentlich fast so chaotisch wie der römische Verkehr vorkommt, können die Zehn Gebote eine Orientierung sein, welche Grundlagen zu einem gelingenden Leben beitragen. Sie laden dazu ein, nicht in Ignoranz und Egoismus zu verharren, sondern den persönlichen Rahmen in den Kontext des partnerschaftlichen, familiären, gesellschaftlichen und religiösen Lebens zu stellen.

Zum Baden hat es uns dann zwar nicht mehr gereicht, weil der Verkehr auch anderswo noch stockte. Aber die Wirtin in der «Osteria antica» servierte uns einen ausserordentlich feinen Teller Pasta, den wir dann mit Blick aufs Meer genossen. Die Welt war wieder in Ordnung!

Mathias Jäggi, Theologe und Sozialarbeiter in der Pfarrei Heilig-Kreuz, Binningen-Bottmingen, Berufsschullehrer und Fachhochschuldozent