Im Herbst des Lebens: Was bedeutet Lebensqualität, wenn die Tage gezählt sind? | © Uwe-Jens Kahl/pixelio.de
Im Herbst des Lebens: Was bedeutet Lebensqualität, wenn die Tage gezählt sind? | © Uwe-Jens Kahl/pixelio.de
02.12.2021 – Aktuell

«Man kann nicht immer nur tapfer sein»

Palliativ-Woche ‘21: Lebensqualität bis zuletzt – was heisst das?

Was zählt und was hilft, wenn die Tage gezählt sind? Das nahende Lebensende ist ein Thema, dem man lieber ausweichen möchte. Sich rechtzeitig damit zu befassen, kann zur Lebensqualität in der letzten Phase beitragen. Dabei gilt es auch die Angehörigen zu schützen und zu unterstützen.

Was heisst Lebensqualität? Die Teilnehmenden eines Podiums im Rahmen der Palliativ-Woche ’21 beantworten die Frage ähnlich: Das Zusammensein mit Familie und Freunden, lieben und geliebt werden, Musik, in die Natur hinaus gehen. Wie aber ist Lebensqualität in der letzten Phase des irdischen Daseins möglich, wenn eine schwere Krankheit für starke Beeinträchtigungen sorgt?

Lebensqualität bis zuletzt – so lautete das Thema der ersten Palliativ-Woche vom 15. bis 19. November, welche palliative bs+bl, eine Sektion der Schweizerischen Gesellschaft für Palliative Medizin, Pflege und Begleitung zusammen mit Partnern durchgeführt hat. Ziel der Woche war es, die Öffentlichkeit mit verschiedenen Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen, Referate, Erzählrunden, Film- und Theateraufführungen für die mit dem Lebensende verbundenen Fragestellungen zu sensibilisieren.

Atemnot und Ängste lindern

Ein Fallbeispiel illustriert beim Podium in Therwil, worum es konkret geht. Von Schmerzen, Atemnot und der Angst vor dem Ersticken und dem Sterben ist die Rede, beim gleichzeitigen Wunsch, nochmals Zeit zu Hause mit den Liebsten verbringen zu können. «Es gibt gute Medikamente, welche Atemnot lindern, und auch solche gegen die Angst vor dem Ersticken», sagt die Ärztin Tiziana Salvisberg.

Die meisten Menschen wollen zu Hause sterben, doch dazu brauche es ein entsprechendes Umfeld, gibt Pflegefachfrau Beatrice Zobrist, Leiterin der Spitalexternen Onkologie- und Palliativpflege Baselland (SEOP), zu bedenken. Es sollte deshalb von Anfang ein Thema sein, sich zu überlegen, wie der Plan B aussieht, wenn es zu Hause nicht (mehr) geht. Zum Angebot der SEOP gehören Organisation und Koordination der Pflege zu Hause in Zusammenarbeit mit der örtlichen Spitex und anderen Partnerorganisationen.

Kurse für Letzte Hilfe

Dabei gilt es die mitbetroffenen Angehörigen miteinzubeziehen. «Es geht auch um die Lebensqualität der Angehörigen», sagt Salvisberg. Eveline Beroud, Co-Leiterin der Ökumenischen Koordinationsstelle Palliative Care Baselland, verweist auf die Letzte-Hilfe-Kurse. Auch sie habe zuerst lernen müssen, über Sterben und Tod zu reden. Die Idee dieser Kurse sei es, Menschen, die nicht geschult sind, zu helfen, Schwerkranke zu begleiten, erläutert Moderator Klaus Bally, der rund drei Jahrzehnte lang als Hausarzt tätig war und Wissen und Erfahrungen als Dozent an der Universität Basel weitergibt.

Frühzeitig Hilfe annehmen

Was, wenn sich die Angehörigen mit Schuldgefühlen quälen, wie gemäss Bally häufig zu beobachten ist? Beroud rät dazu, möglichst früh Hilfe anzunehmen. Und wenn den Kranken die Kraft für das Tapfersein ausgeht? Weg von zu Hause, zum Beispiel in einem Hospiz, falle es leichter, auch andere Gefühle zuzulassen, sagt Beroud. «Man kann nicht immer nur tapfer sein.»

Für eine stationäre Palliativpflege in einem Spital brauche es eine bestimmte Indikation, hält Salvisberg fest. Es gebe jedoch viel zu wenige Plätze. Man werde aber heute in den Alters- und Pflegeheimen viel besser betreut als noch vor 25 Jahren, sagt Bally.

Regula Vogt-Kohler

 

Hier gibt es Informationen und Unterstützung:

www.palliative-bs-bl.ch

www.seopbl.ch

www.ks-palliativecare.com